32. Antifa-Landeskonferenz bei Ver.di in Düsseldorf – Ratschlag mit dem Blick auf Europa

31. Juli 2018

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Dr. Ulrich Schneider auf der 32. antifaschistischen Landeskonferenz in Düsseldorf (Foto: jochen vogler – r-mediabase.eu)

Dr. Ulrich Schneider ruft zum Zusammengehen gegen Vormarsch der Rechten auf

Die 32. Konferenz der NRW-Initiativen und Organisationen gegen rechts beschäftigte sich mit der zunehmenden Rechtsentwicklung und fragte, wie demokratische Kräfte die Initiative für Frieden und Gerechtigkeit zurückgewinnen können. Die alle zwei Jahre stattfindende Konferenz wird von der VVN-BdA Nordrhein-Westfalen ausgerichtet und lädt Aktive für Frieden, Antifaschismus, Antirassismus und aus den sozialen Bewegungen ein, miteinander zu diskutieren und ihre Kräfte zu bündeln. Infolge der zahlreichen gleichzeitigen Aktionen war die Zahl der Teilnehmer/innen überschaubar, jedoch kamen die Vertreter aus zehn Städten zu wichtigen Arbeitsergebnissen, die hiermit zum Teil veröffentlicht werden.

Ausgehend von den Thesen, dass das nicht erfolgte NPD-Verbot rassistische und faschistische Strömungen beflügelt, Armut und wachsende soziale Verwerfungen von den Rechten zu einer „Rassenfrage“ umgedeutet werden, Demokraten angegriffen, Antifaschistinnen und Antifaschisten kriminalisiert werden sowie die Militarisierung der Gesellschaft und der internationalen Beziehungen fortschreitet, wurden in drei Workshops die verschiedenen Facetten der Rechtsentwicklung und Gegenmaßnahmen thematisiert.

Dr. Ulrich Schneider, Generalsekretär der FIR, der internationalen Föderation der Widerstandskämpfer, hat einleitend zur Verstärkung auch der internationalen Kooperation gesprochen. Er sagte u.a.: „Eine gute Perspektive wäre es, wenn sich diese Proteste und Bewegungen gegen den Vormarsch der extremen Rechten und rechtspopulistischer Kräfte in Europa nicht nur vor Ort entwickeln würden, sondern europäisch vernetzt stattfänden. Außerdem sollten die Verbindungen der antifaschistischen Verbände und antirassistischen Initiativen mit der Friedensbewegung verstärkt werden.“

Zur friedenspolitischen Demagogie der Rechten stellte der Referent fest: „Selbst dort, wo sich offen faschistische Kräfte und andere extreme Rechte gegen einzelne Maßnahmen der Aufrüstung – wie die Planung einer europäischen Armee und die Verschärfung der Spannungen gegen Russland – artikulieren, bleiben sie unsere politischen Gegner, weil sie mit Friedenspolitik und einer tatsächlichen Abrüstung nicht das Geringste zu tun haben. Für sie sind deutsche Panzer dann gut, wenn sie für die Durchsetzung deutscher Interessen in der Welt eingesetzt werden. Die antifaschistische und Friedensbewegung kämpft auch gegen den Feind im eigenen Land, wie Karl Liebknecht es schon vor über 100 Jahren formulierte.“

Schließlich betonte Ulrich Schneider: Man dürfe die Kritik an der verhängnisvollen Politik der Europäischen Kommission und der Brüsseler Bürokratie nicht den Rechtspopulisten und anderen extremen Rechten überlassen. „Wir müssen Antworten suchen, die keine Rückkehr zu alten Nationalstaaten bedeuten, sondern eine Neudefinition der Europäischen Union beinhalten. Und ein Bündnis bzw. die Zusammenarbeit der vier politischen Bewegungen – die antifaschistische Bewegung, die antirassistischen Kräfte, die Friedensbewegung und die Globalisierungskritiker, die sich im Kern gegen den gemeinsamen Gegner auf der politischen Rechten richten – sollte spätestens in Vorbereitung auf die Wahlen zum Europäischen Parlament Mai/ Juni 2019 handlungsfähig sein.“

Wortlaut der Ansprache von Dr. Ulrich Schneider, Antifaschistischer Ratschlag 2018 Düsseldorf, 09. Juni 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,

als ich vor einigen Wochen angesprochen wurde, zur Eröffnung der 32. NRW Antifa-Konferenz hier in Düsseldorf einen Beitrag zu leisten, habe ich gerne zugesagt. Denn ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, neben der regionalen Perspektive auch die internationale Dimension in den Blick zu nehmen, insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen und politischen Gefahren, wie sie sich aus dem Anwachsen extrem rechter Kräfte in Europa ergeben.

Ihr alle kennt die Wahlergebnisse für die AfD in unserem Land. Darüber werdet ihr im Laufe des Tages und in Arbeitsforen noch intensiver diskutieren, daher möchte ich es bei zwei Bemerkungen belassen. Das Auftreten ihrer Mandatsträger im Bundestag und in verschiedenen Länderparlamenten zeigt immer wieder aufs Neue, dass Rassismus und Intoleranz – verbunden mit neoliberaler Wirtschaftspolitik – zum Kernthema dieser Gruppe gehören. Ich will eure Zeit nicht damit verschwenden, die wöchentlichen Provokationen und neofaschistische „Entgleisungen“ aufzulisten. Ihr verfolgt diese Entwicklung sicherlich genauso aufmerksam wie ich.
Als angebliche „Opposition“ steht sie gleichwohl für Aufrüstung, auch wenn sie sich öffentlich gegen Bundeswehreinsätze im Ausland ausspricht. Ihre Haltung ist jedoch nicht friedenspolitisch begründet. So fragte ein Abgeordneter der AfD mit vollem Ernst in der Bundestagsdebatte um die Verlängerung der Auslandseinsätze, warum unbedingt Bundeswehr-Soldaten eingesetzt werden sollten und man die „militärische Drecksarbeit“ im Irak nicht von den USA erledigen lasse. Eine friedenspolitische Kritik an den Auslandeinsätzen sieht anders aus.

Auch auf der 32. antifaschistischen Landeskonferenz zu sehen: Die neue Ausstellung über die AfD 2018 (Foto: jochen vogler – r-mediabase.eu)

Aber nicht nur in unserem Land, in vielen europäischen Ländern ist eine solche reaktionäre Strömung politisch auf dem Vormarsch.
In Österreich ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Heinz-Christian Strache erfolgreich. Sie ist Koalitionspartner der konservativen ÖVP unter dem Regierungschef Sebastian Kurz, den manche Medien bereits zum „Hoffnungsträger“ ernannt hatten. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Koalition ist ein zunehmender Nationalismus und die Ablehnung der Aufnahme weiterer Flüchtlinge in Mitteleuropa – verantwortlich dafür ist ausgerechnet Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Und es bleibt bekanntermaßen ja nicht allein bei vollmundigen Erklärungen, die bereits zu Skandalen in Österreich führten. Die FPÖ sorgt aktuell für eine Verschärfung des Asylrechtes, die Verlängerung der Grenzkontrollen und die Verschlechterung der Existenzbedingungen von Flüchtlingen im Land selber. Selbst die Freizügigkeit für EU-Bürger wird von Strache aus rassistischen Gründen in Frage gestellt.
Mancher wird sich noch daran erinnern, dass vor Jahren, als der damalige FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider in die österreichische Regierung kam, die europäischen Staaten dieses Land boykottierten – diesmal ist es völlig anders. Sebastian Kurz wurde in den Elysee-Palast zum europäischen „Hoffnungsträger“ Macron eingeladen und auch die anderen Regierungen buhlen um Kontakte.

Eine solche Vorzugsbehandlung wurde dem Regierungschef Viktor Orban (FIDESZ) nicht zuteil, obwohl er bereits mehreren Jahren den politischen Kurs in Ungarn bestimmt. Mit einer antisemitischen Kampagne gegen George Soros versuchte Orban seit Jahresanfang seine Akzeptanzkurve zu verbessern. Im Ergebnis der Parlamentswahlen vom April 2018 konnte man als Beobachter den Eindruck gewinnen, dass der Hauptkampf zwischen der rechtspopulistischen FIDESZ und der offen faschistischen JOBBIK verlieft – also eine „Wahl zwischen Pest und Cholera“ war. Während JOBBIK mit national-sozialistischer Demagogie, also der „Ethnisierung des Sozialen“ punkten wollte, spielte Orban – neben den massiven Einschränkungen demokratischer Freiheiten – zusätzlich seine Anti-EU- und Anti-Migrationspolitik aus. Im Herbst vergangenen Jahres schockierte er die Welt mit seiner Erklärung von einer „migrantenfreien Zone“ in Ost-Mitteleuropa. Und der Bau der Grenzbefestigung gegenüber der Serbischen Republik ist mehr als nur ein Symbol der „Festung Europa“. Erschreckenderweise hat Viktor Orban – trotz der Kritik von zivilgesellschaftlichen Kräften einen Wahlsieg mit 2/3-Mehrheit – natürlich auch dank seiner Wahlrechtsreform – erreicht. Für die Demokratieentwicklung in Ungarn ist das ein verheerendes Ergebnis. Und FIDESZ hat bereits angekündigt, dass seine demokratischen Kritiker zukünftig massiv eingeschränkt werden – in finanzieller Hinsicht und bei dem Zugang zu den öffentlichen Medien.
Dass sich in diesem Land Neonazis zuhause fühlen und Mitte Februar 2018 ungestört durch die Behörden der „Festungsstadt Budapest“ gedachten, die – wie das neonazistische Narrativ lautet – sich dem Vordringen der „bolschewistischen Horden“ im Februar 1945 „heldenhaft“ entgegen gestellt habe, ist ein weiteres Indiz für die verheerende Entwicklung in diesem Land.

Nicht weniger problematisch ist die politische Entwicklung in Polen unter der PiS-Regierung. Auch sie erklärt deutlich, keine Flüchtlinge im Rahmen der europäischen Solidarität aufnehmen zu wollen. Hinzukommt, dass diese Regierung innenpolitisch mit der als Justizreform beschriebenen Entlassung ehemaliger Richter aller zentralen Gerichte und der strukturellen Ausschaltung der Opposition eine massive Rechtsentwicklung vorantreibt. Zudem geriert die polnische Regierung sich als die „Speerspitze“ der NATO gegen den Osten in engster Kooperation mit den USA. Das jüngste Beispiel dafür ist die Aufforderung der polnischen Regierung an die USA, zur dauerhaften Stationierung einer amerikanischen Panzerdivision auf polnischem Boden. Zwar zögert die US-Regierung noch, aber die politische Richtung ist deutlich.
Die EU und die Bundesregierung kritisieren die polnische Regierung vor allem wegen der Frage der Gerichte und der formellen Gewaltenteilung. Wir als Antifaschisten sehen dagegen mit großer Sorge den Aufmarsch der militanten, extrem nationalistischen Kräfte, wie beim letztjährigen „Unabhängigkeitstag“ in Warschau und gleichzeitig die Umsetzung der staatlichen Geschichtsrevision. Dies zeigt sich nicht nur im so genannten „Holocaust-Gesetz“, sondern in aller Massivität in der Zerstörung von Gedenkstätten für die sowjetischen Befreier von 1944/45 in verschiedenen polnischen Städten auf der Grundlage des Gesetzes zur „De-Kommunisierung“.

Plakate der VVN-BdA zum Ehemaligentreffen der lettischen Waffen-SS in Riga 2016.

Politisch in die gleiche Richtung, aber in geschichtspolitischer Hinsicht noch offener revisionistisch gerieren sich die baltischen Staaten. Seit Jahren werden in Lettland die SS-Freiwilligen als „Helden des lettischen Freiheitskampfes“ gewürdigt. Ihr habt euch in diesem Jahr mit der Aktion vor dem lettischen Konsulat in Düsseldorf an dem Protest gegen den jährlichen SS-Aufmarsch in Riga beteiligt. Herzlichen Dank dafür.
Solche Formen der Umdeutung der Geschichte erleben wir auch in Litauen, wo es gegenwärtig einen Streit um die Beteiligung von Litauern an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung gibt. Der Staat erklärt, das sei „ausländische Propaganda“. Ein Verlag sorgt dafür, dass eine entsprechende Publikation nicht in den Buchhandel gerät. Verbunden ist dieser Geschichtsrevisionismus mit einer massiven Frontstellung gegen Russland und eine gesellschaftliche Entrechtung der russischen Bevölkerungsteile.

Wenn wir wieder den Blick nach Westeuropa richten, dann müssen wir mit Sorge die Entwicklung in Italien verfolgen. Dort haben die letzten Wahlen eine Renaissance von Berlusconis Forza Italia, eine erfolgreiche Südausdehnung der Lega Nord und einen Aufschwung der rechtspopulistisch agierenden „Fünf Sterne-Bewegung“ gebracht.
Die antifaschistische Organisation ANPI warnte vor der Wahl, hiermit erstarke „das Virus der Gewalt, Diskriminierung, Hass gegenüber denen, die sie als anders bezeichnen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“. Und mehr noch steht die Gefahr, dass die antifaschistischen Wurzeln der italienischen Verfassung durch diese Kräfte beseitigt werden könnten.
Die Zersplitterung der linken und demokratischen Parteien in diesem Wahlkampf führte jedoch dazu, dass es den rechten Bündnissen gelang zusammen fast Zweidrittel der Mandate zu erringen. Vor wenigen Tagen sah es noch so aus, als käme es nicht zu einer Rechtsregierung, was einerseits an der Konkurrenz zwischen den Repräsentanten der Lega, der 5-Sterne-Bewegung und Berlusconi, andererseits an der Entscheidung des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella, den Kandidaten der Rechten Conte nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen und seinen Kabinettsvorschlag abzulehnen. Die zwischenzeitliche Entscheidung des Präsidenten, mit Carlo Cottarelli einen ehemaligen Direktor des IWF zum Chef eines „Technokraten-Kabinetts“ zu ernennen, erwies sich jedoch nicht als umsetzbar. Seit dem Wochenende hat Conte erneut den Auftrag, eine Regierung zu bilden – und es wird eine offene Rechtsregierung sein. Matteo Salvini, der seine Partei „Lega“ seit einigen Jahren auf einen massiv fremdenfeindlichen Kurs gebracht hat, wurde als Innenminister vereidigt. Damit ist er unter anderem verantwortlich für die Flüchtlingslager in Lampedusa und anderen Orten. Es ist zu erwarten, dass die schon jetzt menschenunwürdigen Verhältnisse noch verschlechtert werden. Seine erste öffentliche Erklärung lautete, dass er 500.000 „illegale Flüchtlinge“ ausweisen wolle – wohin? Das weiß er natürlich selber nicht.

Weniger lautstark, aber dennoch mit klarem Einfluss auf die Regierungspolitik erleben wir die extrem nationalistischen Kräfte in Belgien. Bei der letzten Parlamentswahl haben bundesdeutsche Kommentatoren „gejubelt“, dass der Vlaams Belang keinen Einfluss auf die Regierungsbildung hatte. Dass aber die extrem rechten flämischen Nationalisten N-VA unter Bart De Wever jetzt in der Regierung sind, wurde „übersehen“. Wahrscheinlich deshalb, weil diese nicht so offen rassistische Parolen propagieren. Aber rechte separatistische Bestrebungen und regionaler Nationalismus sind ebenso problematische Tendenzen.

In weiteren westeuropäischen Ländern haben wir extrem rechte politische Kräfte mit mehr oder weniger großem Einfluss auf das Regierungshandeln. Genannt werden müssen dabei insbesondere die Niederlande und Frankreich. Geert Wilders und seine PVV sind nicht an der Regierung – aber eigentlich nur deswegen, weil Ministerpräsident Mark Rutte mit vergleichbaren, politischen Zielen als Regierungspolitik den Wahlkampf gestaltete.

Und wenn man die Resultate für den Front National und das neue „Konstrukt“ der Marine LePen betrachtet, dann wird sichtbar, dass diese Kraft flächendeckend eine hohe Akzeptanz in kleinbürgerlichen und – leider auch – Arbeiterkreisen erzielte. Insbesondere in den französischen Kleinstädten und im weniger kampferfahrenen ländlichen Milieu konnte der Front National punkten. Nur das französische Wahlrecht verhinderte einen rechten „Erdrutsch“ in den französischen Parlamenten.

Trotz dieser gefährlichen Entwicklungen sehe ich aber auch positive Signale des demokratischen und antifaschistischen Widerstands:
Als Reaktion auf die Aufnahme der FPÖ in die Koalitionsregierung demonstrierten in Wien 60-80.000 Menschen gegen die Politik von Kurz und die FPÖ. Das war die größte politische Demonstration der vergangenen Jahre in Österreich.
In Frankreich mobilisiert die politische Linke und die Gewerkschaftsbewegung nicht nur gegen den Vormarsch von Le Pen, sondern verbindet ihre Proteste auch mit einem aktiven Widerstand gegen die geplanten Einschnitte in das sozialpolitische System durch die Macron-Regierung.
In Italien demonstrierten im Februar 2018 zuerst in Macerata etwa 30.000 zumeist junge Menschen gegen einen rassistischen Mordanschlag. Später kam es zu Demonstrationen in Rom und über 100 italienischen Städten unter der Losung: „Wir verteidigen die antifaschistischen Werte der Verfassung und der Freiheit gegen alle Formen des Faschismus!“ Allein in Rom beteiligten sich mehr als 100.000 Menschen.

Eine gute Perspektive wäre es, wenn sich diese Proteste und Bewegungen gegen den Vormarsch der extremen Rechten und rechtspopulistischer Kräfte in Europa nicht nur vor Ort entwickeln würden, sondern europäisch vernetzt stattfänden. Dazu gibt es bereits Beispiele, auch wenn es von der zahlenmäßigen Dimension noch viel „Luft nach oben“ gibt.

Außerdem sollten die Verbindungen der antifaschistischen Verbände und antirassistischen Initiativen mit der Friedensbewegung verstärkt werden.
Ich muss in diesem Rahmen sicherlich nicht die unmittelbare Verbindung zwischen Nationalismus, faschistischer Ideologie und Kriegspolitik erläutern. Selbst dort, wo sich offen faschistische Kräfte und andere extreme Rechte sich gegen einzelne Maßnahmen der Aufrüstung – wie die Planung einer europäischen Armee und die Verschärfung der Spannungen gegen Russland – artikulieren, bleiben sie unsere politischen Gegner, weil sie mit Friedenspolitik und einer tatsächlichen Abrüstung nicht das Geringste zu tun haben. Für sie sind deutsche Panzer dann gut, wenn sie für die Durchsetzung deutscher Interessen in der Welt eingesetzt werden. Die antifaschistische und Friedensbewegung kämpft auch „gegen den Feind im eigenen Land“, wie Karl Liebknecht es schon vor über 100 Jahren formulierte.
Und eine vierte Gruppe gehört in das breite Bündnis, nämlich die globalisierungskritische Bewegung ATTAC und die linken Kritiker der gegenwärtigen Europapolitik. Wir dürfen die Kritik an der verhängnisvollen Politik der Europäischen Kommission und der Brüsseler Bürokratie nicht den Rechtspopulisten und anderen extremen Rechten überlassen. Wir müssen Antworten suchen, die keine Rückkehr zu alten Nationalstaaten bedeuten, sondern eine Neudefinition der Europäischen Union beinhalten.
Und ein Bündnis bzw. die Zusammenarbeit dieser vier politischen Bewegungen – die antifaschistische Bewegung, die antirassistischen Kräfte, die Friedensbewegung und die Globalisierungskritiker, die sich im Kern gegen den gemeinsamen Gegner auf der politischen Rechten richten sollte spätestens in Vorbereitung auf die Wahlen zum Europäischen Parlament Mai/ Juni 2019 handlungsfähig sein.

Und für ein solches gemeinsames Handeln gibt es klare politische Anforderungen:
Wenn ein Europa, wie es gegenwärtig konstituiert ist, eine demokratische Perspektive haben soll, dann nur, wenn es sich glaubwürdig gegen rechtspopulistische und extrem rechte Tendenzen und Bestrebungen wehrt. Das bedeutet aber, dass sich die Politik dieser Europäischen Union insgesamt grundlegend ändern muss.
Wir treten ein für ein soziales, friedliches und solidarisches Europa. Der gegenwärtige Zustand ist jedoch geprägt von sozialer Spaltung, den Folgen einer Schuldenkrise, die das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Staaten verstärkt.
Das bedeutet für uns, die neoliberalen EU-Verträge müssen überwunden und Europa muss neu begründet werden. Notwendig ist eine Änderung der Europäischen Vertragsgrundlagen, damit soziale Grundrechte und öffentliches Eigentum endlich Vorrang vor Kapital- und Marktfreiheiten und „freiem Wettbewerb“ haben. Ferner ist ein öffentliches Investitionsprogramm für Europa notwendig, damit wirtschaftliche Ungleichgewichte abgebaut, Lebensbedingungen angeglichen und Investitionen in öffentliche Aufgaben und Strukturen getätigt werden.

Wir wollen zweitens keine Festung Europa, die die zahllosen Toten im Mittelmeer billigend in Kauf nimmt. Europa muss offen bleiben für Menschen, die vor Krieg, politischer oder religiöser Verfolgung, Hunger und Ausbeutung fliehen. Zur traurigen Realität gehört, dass an den EU-Außengrenzen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten werden. Nicht nur in Ungarn, überall in Europa wird die Flüchtlingspolitik verschärft.
Und es kann nicht zugelassen werden, dass einzelne europäische Staaten – und damit meine ich beispielsweise Griechenland, Italien, Spanien, aber auch das nicht EU-Land Serbien – mit den Problemen der Flüchtlingsbetreuung alleine gelassen werden
Wir wollen ein Europa, welches eine Außenpolitik betreibt, die nicht dazu beiträgt, dass in den nordafrikanischen Staaten oder im Nahen Osten Krieg, Elend und andere Fluchtgründe zunehmen. Wer – wie die deutsche Bundesregierung – öffentlich verkündet, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssten, aber gleichzeitig Panzer und anderes militärisches Gerät an die Türkei und Saudi-Arabien verkauft, der benimmt sich pharisäerhaft und verschärft gleichzeitig die dortigen Krisen.

Wir fordern daher von allen Staaten der EU, statt Rechtspopulismus und Fluchtursachen zu verstärken, eine aktive Politik gegen den zunehmenden Rassismus und die Xenophobie zu betreiben. Europa kann nicht auf der Basis der Abschottung entstehen, sondern muss durch Offenheit und Toleranz geprägt sein.
Und dafür kann und muss man auch vor Ort – in den Regionen arbeiten.

© Dr. Ulrich Schneider, Generalsekretär Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten, Magdalenenstr. 19, D – 10365 Berlin
www.fir.at , office@fir.at