Von der Demo der 45.000 in Köln

1. Juni 2019

Beteiligung der VVN-BdA in Köln. (Foto: Schramm)

Die Europäische Union braucht einen Politikwechsel

Pia Klemp, Kapitänin der „Sea Watch 3“, die mit ihrer Crew mehr als 1000 Flüchtlinge gerettet hat und sich nun in Italien gegen den Vorwurf der „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ wehren muss, sagte lt. Kölner Stadtanzeiger auf der großen Manifestation am 19. Mai: „Die Rettung von Menschen ist eine Pflicht und gewiss kein Verbrechen. Mit jedem Ertrinkenden ertrinkt die Würde jedes Europäers.“ Andere Redner kritisierten die militärische Aufrüstung, den unzureichenden Klimaschutz, Umverteilung und Ungleichheit. „Wir kämpfen für ein soziales Europa“, so Katharina von Hebel (Betriebsrätin bei Ford), die für den DGB und das Bündnis „Köln stellt sich quer“ redete. Es sei wichtig, zur Wahl zu gehen, damit Rechtspopulisten und Nationalisten das gelebte Europa nicht kaputt machen. Klar sei aber, dass noch viele Fortschritte erstritten werden müssen. (Fundstelle: Kölner Stadtanzeiger 20. Mai 2019)
Linke Stimmen des Herumgenörgelns an den 45.000, die in Köln demonstrierten, an den 150.000 im ganzen Land waren leider auch zu vernehmen. Wir von der VVN-BdA waren dabei. Auch für uns hat unser Kamerad Joachim Schramm, Geschäftsführer der DFG / VK NRW, gesprochen. Auch jene mit den Illusionen über die EU hatten den Gedanken der Abrüstung mit in ihren Texten. Niemand, der nicht für einen Politikwechsel sprach. Wir waren sehr zufrieden mit dieser Massenaktion. Ach ja, ein oder zwei Freunde waren auch da, die verteilten Flugblätter, auf denen wir als „Jubelperser“ bezeichnet wurden. „Freidenker“ stand im Impressum. Bedauerlich. Hier die Rede von Joachim Schramm.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitstreiter für ein anderes Europa

Ja, wir sind heute hier in Köln, um für eine andere EU, für ein Europa für Alle zu demonstrieren. Das ist richtig und wichtig, denn diese EU ist auf einem falschen Weg. Häufig ist vom Friedensprojekt Europa die Rede, das es zu erhalten gelte. Die Einheit Europas, die Überwindung der alten Feindschaften zwischen den europäischen Staaten, das ist ganz sicher ein Friedensprojekt, das sich die Menschen nach 1945 gewünscht haben. Aber, und das schränkt die Begeisterung doch deutlich ein, es war und ist immer eher ein Friedensprojekt nach innen als nach außen gewesen. Schon der Kalte Krieg sorgte dafür, dass sich europäische Staaten, in Ost und West geteilt, feindlich gegenüber standen. Und auch nach Ende des Kalten Krieges, nach der Osterweiterung der EU, erleben wir heute z.B. die Konfrontation mit Russland, das geografisch und von seiner Geschichte her doch ein Teil Europas ist. Die EU steht nicht als der Friedensengel da, als der sie 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Stattdessen gibt es das Bestreben in relevanten Teilen der EU-Eliten, die EU zu einer weltpolitischen Macht zu entwickeln. Bereits 2013 äußerte sich der damalige EU-Parlamentspräsident Schulz so: „Europas Partner erwarten zu Recht das (…) aus der Wirtschaftssupermacht auch eine weltpolitische Supermacht wird“. Und im Dezember 2016 verabschiedet das Europäische Parlament eine Erklärung in der es heißt “ dass die EU ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken muss, da sie ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige ‚Soft Power‘ im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit ‚Hard Power‘ kombiniert“.
Was heißt das? Das heißt doch nichts anderes, als dass die EU sich anschickt, ihre militärische Macht, ihre „Hard Power“, auszubauen, zu einer Militärmacht zu werden, die ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen vor allem in Afrika aber auch im asiatischen Raum durchsetzen kann. Das wird auch in der EU-Globalstrategie ganz offen formuliert. Zu diesen Machtansprüchen sagen wir deutlich NEIN!
Besonders Deutschland und Frankreich forcieren diesen Militarisierungskurs. Im Dezember 2017 beschloss der Europäische Rat die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (PESCO). Damit sollen u.a. die militärischen Fähigkeiten gebündelt werden. Entscheiden dabei ist, dass mit PESCO das bisher gültige Konsensprinzip bei außenpolitischen Aktivitäten aufgebrochen wird. Kriegführen wird also einfacher.
Wurde im Zusammenhang mit PESCO noch betont, dies sei kein Schritt zu einer EU-Armee, ist das längst Schnee von gestern. Sowohl der französische Präsident Macron als auch Kanzlerin Merkel haben in den letzten Monaten mehrfach eine solche gemeinsame Armee gefordert. Auch gemeinsame Rüstungsprojekte sollen auf den Weg gebracht werden,
Ja, aber ist das denn nicht vielleicht sogar etwas Gutes? Eine Armee statt die vielen nationalen Armee? Große europäische Rüstungskonzerne, statt vieler kleiner? Spart das nicht auch Geld? Mit solchen Argumenten versucht man, diese Entwicklung den Bürgern schmackhaft zu machen. Doch wer glaubt denn ernsthaft, dass die Schaffung einer EU-Armee weniger Rüstungsausgaben bedeuten würde? Wenn heute mit Verweis auf eine angebliche Bedrohung durch Russland in allen europäischen Staaten aufgerüstet wird, alle das 2%-Ziel der NATO anstreben, obwohl die europäischen NATO-Staaten schon jetzt viermal soviel für Rüstung ausgeben wie Russland? Es geht um eine Weltmachtposition und die will man nicht durch Sparen sondern durch mehr Rüstungsausgaben erreichen. Eine EU-Armee dient dabei dem Ziel, die Kräfte zu bündeln, die militärische Schlagkraft zu stärken, die Hard Power einer Weltmacht zu erreichen. Gleiches gilt für den Zusammenschluss der Rüstungskonzerne. Wenn Rheinmetall, wie geplant, sich mit anderen deutschen und französischen Panzerkonzernen zusammenschließt, kann er europaweit Preise diktieren.. Europäische Konzentration von Waffenproduzenten bedeutet Konzentration von Wirtschaftsmacht, bedeutet Kostensteigerung zu Lasten der Steuerzahler. Und es bedeutet noch mehr Druck der Konzerne, die Waffenexporte in alle Welt zu genehmigen.
Aber dessen ungeachtet unterstützen deutsche Parteien genau diesen Kurs. Im Wahlprogramm der CDU heißt es unter dem Punkt Frieden: „Wir wollen einen Europäischen Verteidigungsfonds, eine Europäische Eingreiftruppe und bis 2030 gemeinsame europäische Streitkräfte. Wir werden gemeinsame Rüstungsprojekte und Rüstungsbeschaffung fördern“ Was hat das alles mit Frieden zu tun? Ist das orwellsches Neusprech oder einfach Verlogenheit?
Nein, wir wollen keine EU, die sich über Waffenproduktion und eine gemeinsame Armee vereinheitlicht. Wenn man im Wahlkampf konservative Politiker hört, dann geht es bei der Zukunft der EU darum, sich im Weltmaßstab mit den USA und China zu messen, wirtschaftlich, aber zunehmend auch militärisch. Ist das die Zukunft die wir wollen? Nein, wir wollen keine EU, die im Konkurrenzkampf mit anderen Supermächten gleichzieht, sondern eine EU, die sich im Weltmaßstab für Frieden und Abrüstung stark macht, die eine Führungsrolle bei der Klimagerechtigkeit einnimmt, eine EU, die sich für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit in der Welt und Angleichung der Lebensmöglichkeiten engagiert.
Europa kann sich als Friedensmacht positiv einbringen und mit dafür sorgen, diese Welt friedlicher zu machen. Die EU-Staaten können sich gemeinsam gegen die Erhöhung der Rüstungsausgaben aussprechen und im Gegenteil neue Abrüstungsinitiativen starten. Die EU-Staaten können geschlossen dem neuen UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und so ein deutliches Zeichen setzen gegen einen neuen atomaren Rüstungswettlauf. Die EU-Staaten können die eigenen Richtlinien gegen den Rüstungsexport ernst nehmen und umsetzten. Und die EU-Staaten können ihre Anstrengungen auf dem Gebiet der zivilen Konfliktbearbeitung deutlich steigern, mehr Geld für Konfliktprävention, für ziviles Peacekeeping und vieles mehr bereitstellen.
In einem neu drohenden Konflikt ist die EU ganz aktuell besonders gefordert. Nach der Kündigung des Iran-Abkommens durch die USA vor einem Jahr droht jetzt die Situation zu eskalieren. Ohne Not hat US-Präsident Trump hier einen Konflikt wieder neu belebt, der auf einen blutigen Krieg in Nahen Osten hinauslaufen kann. Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind mit Vertragsparteien, die EU ist also gefordert sich deutlich gegen kriegerische Maßnahmen durch die USA auszusprechen. Es muss deutlich werden, dass z.B. die US-Basis Ramstein in Deutschland nicht für Aktionen gegen den Iran zur Verfügung steht. Das Iran-Abkommen hat verlässlich eine Atombewaffnung des Irans verhindert, die Haltung der USA droht nun einen neuen Krieg auszulösen, der den ganzen nahen Osten in den Abgrund reißen kann. Diese bedrohliche Entwicklung muss gestoppt werden.
Wir demonstrieren heute für ein Europa für Alle, mit vielen Forderungen, wie ein solches Europa aussehen soll. Doch wenn dieses Europa kein Europa des Friedens wird und die Militarisierungstendenzen nicht gestoppt werden, dann werden all diese Forderungen nicht umsetzbar sein, denn nur im Frieden kann man ein demokratisches, solidarisches, sozial gerechtes und klimagerechtes Europa gestalten. Daher sagen wir heute: Unser Europa der Zukunft….steht für Frieden, Abrüstung und Zivile Konfliktbearbeitung