Internationalismus gefordert

20. Oktober 2018

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In der deutschen Linken macht sich eine besorgniserregende Verweigerung von Solidarität mit Flüchtlingen breit. Ulrich Sander meint, dies liege an jenem Ungeist, der mit Donald Trumps Amtsübernahme immer mehr um sich greift und besagt: Unser Land zuerst. Er spricht sich aus für Internationalismus statt Nationalismus. Der Wortlaut seines Artikels, der jetzt in „Ossietzky“ erschienen ist, lautet: Nationalismus oder Internationalismus.

Die EU-Hymne nach Beethovens Neunter, unterlegt mit Schillers Worten, besagt: „Alle Menschen werden Brüder.“ Warum lässt die EU dann so viele Brüder und Schwestern im Mittelmeer ertrinken?
Der Internationalismus der Linken findet seit 170 Jahren seinen Ausdruck in dem Manifest-Appell von Marx und Engels: „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“

Über die These jedoch, auch die Linke solle betonen „dass sie keine zusätzliche Migration in den Arbeitsmarkt will“, denn sonst „verprelle man die Kernklientel der Linken, nämlich Arbeitslose und eher schlecht Qualifizierte, … da für diese Zuwanderer vor allem eine Konkurrenz im Kampf um Jobs und Wohnraum darstellten“ (siehe Die Zeit, 3.9.18) ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Es geht letztlich um die Frage: Wollen wir Nationalisten oder Internationalisten sein? Deutsche zuerst, auch deutsche Lohnabhängige – soll das besagen, dass wir bei den Pegida-Leuten und ähnlichen um Zustimmung werben sollen, indem wir deren Behauptung: „Die kriegen alles und wir kriegen nichts“, akzeptieren? Und eventuell Zustimmung finden, was sich dann im Stimmenrückgang für AfD (wie einst für die Republikaner, wie Lafontaine behauptet) zeigen würde. Die Zustimmung für die Republikaner bei Wahlen ging zurück, nachdem auch die SPD-Rechte und Lafontaine im Bundesrat 1993 den Republikanern und ihren Anhängern den Wind aus den Segeln nahmen und deren Formulierung zur weitgehenden Beseitigung des Asylrechtes im Grundgesetz Artikel 16a akzeptierten (siehe Lafontaine in Welt am Sonntag vom 12.8.18). Was jedoch die Rechtsentwicklung anbetraf, so nahm sie mit diesem Verfassungsbruch einen Aufschwung: Anschläge wie in Solingen gehörten zu den Folgen des neuen Artikels 16a zum Asylrecht, so schätzten es viele Beobachter ein. Und nicht zuletzt war die Zustimmung der SPD zur Grundgesetzänderung ein Schlag ins Gesicht aller, die sich noch gut erinnerten, wie sehr sie als Flüchtlinge aus Hitlerdeutschland auf die Solidarität der Bevölkerung in den Zielländern angewiesen waren. Schaut man schließlich in die Geschichte zurück, so weisen die Schriften von Marx zu den Klassenkämpfen in Frankreich und zur Pariser Kommune auf die Rolle hin, die dort die Emigranten spielten, die an führender Stelle kämpften.
Der Vorgang um die Republikaner ist nicht wiederholbar. Das zeigen die Entwicklungen in Bayern und Sachsen. Die Union rückt immer weiter nach rechts – und die AfD wird immer stärker. Faschisten im Nadelstreifen nehmen zu und die Brutalität der Stiefelfaschisten auch. Die Korrumpierbarkeit von Teilen der Arbeiterklasse greift deren Klassenbewusstsein an. Na und? Das wird bereits im Kommunistischen Manifest ausgesagt, das von der Konkurrenz innerhalb der Arbeiterklasse spricht, der zu begegnen ist. Die Konkurrenz innerhalb der Klasse nimmt zu. Beispielsweise der Sieg der Rüsselsheimer über die Bochumer Opelaner – wer erinnert sich nicht?
Der kommunistischen Linken – an sie sei hier erinnert – hat es nie geholfen, wenn sie im Konkurrenzkampf innerhalb der Klasse nicht prinzipiell handelte. Wenn sie darauf verzichtete, linkes politisches Bewusstsein zu vermitteln – weder im eigenen Land noch international. Es gab für sie immer wieder Situationen, da sie notgedrungen völlig unpopuläre Positionen einnahmen: für die Oder-Neiße-Grenze, für die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, für die Mauer in Berlin. Das kostete Wählerstimmen und Zustimmung, erschien ihr im Interesse der Friedenssicherung aber nötig.
Heute gibt es für Linke keine andere Wahl als diese: offene Grenzen, gutes Leben für alle, Solidarität mit den Opfern des Imperialismus in aller Welt anstatt opportunistisches „Verständnis“ für die „Ängste der Menschen“ – besonders in Ostdeutschland.
Man lese den „18. Brumaire des Louis Bonaparte“ von Karl Marx über die Rolle des Lumpenproletariats, dem nicht nachzugeben sei. Und man verfalle nicht in Populismus, auch nicht in den linken Populismus, den derzeit manche für sinnvoll halten. Rassismus ist zweifellos klassenübergreifend vorhanden. Dies muss sich in der Klasse der Lohnabhängigen ändern, so sagten es sich verantwortungsbewusste Gewerkschafter. Die Gewerkschaften hatten bekanntlich gezögert, wie sollten sie umgehen mit Fremdenfeindlichkeit in den eigenen Reihen? Es gab Gewerkschaftsaustritte, es gab erfolgreiche Werbebemühungen der AfD in den Gewerkschaften. Als hilfreich erwies sich das Engagement im „Aufstand gegen Rassismus“ – einem breiten Bündnis. Nicht wenige unter den 7000 ausgebildeten Multiplikatoren namens „Stammtischkämpfern“ gegen rechts kommen aus den Gewerkschaften.
Nicht die Ausländer, die nach Integrationen zu Steuerzahlern und Sozialbeitragsleistern werden, machen die „kleinen Leute“ im Lande arm. Es ist der Exportweltmeister Deutschland, er ist ein Weltmeister für die Profiteure aus der Bourgeoisie. Die „kleinen Leute“ in Deutschland und in der EU haben zu wenig Kaufkraft, um am steigenden Reichtum teilzuhaben. Gerade gegen diesen Exportweltmeister aufzustehen, um ihn zur Umverteilung von oben nach unten zu zwingen, ist Sache der deutschen Arbeiterbewegung. Das hülfe auch den Migranten. Das wäre internationalistisch.