Die Verbrechen der Familie Quandt

24. Mai 2020

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An sie muss 75 Jahre danach erinnert werden

Von Ulrich Sander

An vielen Standorten im Nazireich produzierten die Betriebe der Familie Quandt Batterien für die Kriegsführung. Kein Panzer, kein LKW, kein U-Boot hätte sich bewegt ohne die Produkte der Quandts. In Hannover-Stöcken ließ die Firma des Günter Quandt Senior Akkumulatoren für die U-Boote produzieren, und zwar von unzähligen geschundenen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern. Nach der Befreiung am 8. Mai 1945 wurde die Fabrik in Varta umgetauft. Die britischen Behörden waren an der weiteren Produktion interessiert, und daher blieben die Quandts unbehelligt – anders als Krupp, IG Farben, Flick. Diese kamen in Nürnberg vor Gericht, saßen nicht lange und bekamen ihr Vermögen zurück. Die Quandts jedoch durften von Anfang an weitermachen.

Zu den nicht überlebenden Zwangsarbeitern gehörten jene aus dem Außenlager des KZ Neuengamme in Hannover-Stöcken, dem sog. Firmen-KZ der Familie des Wehrwirtschaftsführers Quandt. Hunderte wurden von der Gestapo-Leitstelle in Hannover-Ahlem ermordet. Ein weiterer Tatort: Gardelegen, wohin auch die Sklaven Quandts getrieben wurden. Die Stadt in Sachsen-Anhalt war wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs Ort eines der brutalsten Naziverbrechen. In der zweiten Aprilwoche 1945 wurden in einer Feldscheune in Isenschnibbe bei Gardelegen über eintausend Zwangsarbeiter von Faschisten verbrannt.

Neben den Betrieben in Hannover müssen die Varta-Werke in Hagen als Stätten des Programms Vernichtung durch Arbeit genannt werden. Quandt-Betriebe gab es im ganzen Reich, und so auch in Lüdenscheid mit der Firma Busch-Jäger, die zum Quandt-Konzern gehört. Von dort aus zog noch nach 1945 der Goebbels-Nachfolger Werner Naumann die Fäden zu alten und neuen Nazigruppen.

Der Experte Prof. Ulrich Herbert stellte fest: »Es gibt Analysen, die zeigen, dass ein erheblicher Teil unseres Wirtschaftswunders auf der Entwicklung in diesen Kriegsjahren beruht, auf der Ausbeutung Europas und der Zwangsarbeiter«. Dass die Quandts nicht für die Entschädigung der Zwangsarbeiter aus ihren Akku-Betrieben aufkamen, begründeten sie damit, dass diese ihnen nicht mehr gehörten. Aber auch die BMW, ihr neues ökonomisches Standbein, waren nur durch die Zwangsarbeit groß geworden.

An den verschiedenen Standorten der Fa. VARTA (früher AFA), soll nach Meinung der VVN-BdA jeweils eine Mahntafel angebracht mit einem Text, der darauf hinweist, dass dort einst Günther Quandt residierte, ein enger Partner der Nazis, die er förderte und von denen er wiederum unterstützt wurde. Weiter soll auf Tafeln bekannt gemacht werden: Er hat durch »Arisierung« jüdische Kaufleute beraubt, einen der größten Rüstungskonzerne aufgebaut, die im Zweiten Weltkrieg systematisch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ausbeuteten, so dass viele von ihnen starben. Mit seinen Verbrechen hat er ein großes Vermögen angehäuft, und noch heute zählt daher die Familie Quandt zu den reichsten Europas. Die Tafel soll auf die verhängnisvolle Rolle von Wirtschaftskreisen in der NS-Zeit hinweisen. Sie soll der Mahnung dienen, solche Verbrechen nie wieder zuzulassen.