Gegen die AfD, den Thor Steinar Laden und eine neonazistische Infrastruktur
24. September 2021
Rede von Ulli Sander
Matthias Helferich aus Dortmund, 32 Jahre alt und Jurist, wurde als AfD-Mann in den Bundestag gewählt. Er war auf der AfD-Liste abgesichert und bekam persönlich acht Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis – und indirekt viel Hilfe durch die wohlwollenden Berichterstattung der Ruhrnachrichten. Er sieht sich als „freundliches Gesicht“ des Nazismus und „demokratischer“ Freisler. Er trägt bisweilen die Kornblume und nennt sie das Zeichen der illegalen Nazis in Österreich in den 30er Jahren. Er wurde nicht in die Fraktion der AfD im Bundestag aufgenommen. Aber er bleibt AfD-Mitglied. Zur Kornblume schreibt Wikipedia: „Seit der Mitte der 1920er Jahre nutzte der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) die Kornblume in seiner Symbolik. 1933 wurde sie offizielles Symbol des jetzt großdeutsch orientierten VDA, der sie in seiner Zeitschrift als ‚Überliefertes Sinnbild der Schutzarbeit‘ und ‚Symbol des Volkstumskampfes‘ bezeichnete.“ Kurz vor der Bundestagswahl protestierten Dortmunder Antifaschist:innen gegen die Einrichtung des rechtsextremen Thor Steinar Ladens in der Dortmunder Innenstadt. Und gegen die Wahl Helferichs. Der VVN-Vertreter Ulrich Sander hielt bei dieser Kubdgebung am 23. September 2021 diese Rede:
Liebe Freundinnen und Freunde!
Kürzlich mussten wir uns von unserem unvergesslichen und unvergleichlichen Willi Hoffmeister verabschieden, der im Alter von 88 Jahren verstarb. Die Vorsitzende der IG Metall in Dortmund, Ulrike Hölter, hielt eine bewegende Trauerrede und erinnerte an Willis Rolle beim Kampf in der Schlosserstraße. Unzählige Stahlarbeiter marschierten am 23. August 1985 aus den Werk, „um gemeinsam zu verhindern, dass die rechtsextreme Freiheitliche Arbeiterpartei“ ihr Parteizentrum in der Schlosserstr. 47, Nahe der Westfalenhütte, eröffnen konnte. Sie hatten Erfolg. Die FAP konnte ihr Zentrum nicht eröffnen.
Seitdem haben wir unzählige Versuche der Neonazis erlebt, eine rechte Infrastruktur aufzubauen. Sie versuchten im Jahr 2000, ein SA-ähnliches Sturmlokal Schützenenck zu eröffnen, sie wollten mehrere Zentren in der Innenstadt und in Dorstfeld schaffen, ferner Läden, Kneipen, „verbotene Zonen“ — immer konnten wir dies verhindern.
Nun wird wiederum versucht, ein Stück Infrastruktur für die Nazis zu schaffen, den Thor Steinar-Shop. Hier in der Kuckelke/Alter Burgwall soll nicht nur Kleidung und andere Devotionalien der Nazis angeboten werden, der Laden soll auch als Treffpunkt für die rechte Szene dienen. Wir fordern nun den Stopp des Aufbaus der Naziinfrastruktur.
In letzter Zeit mussten wir feststellen, dass sich rechte Infrastruktur auch in Behörden und Medien festsetzt. Es beunruhigt uns zutiefst,
dass in derPolizei geheime rechte Chatzellen entstanden sind,
dass die Polizei regelmäßig die Bewohner der Nordstadt kriminalisiert und dass
SEK-Einheiten ihre Schießübungen in Einrichtungen der Neonazis in Güstrow durchführten.
In Lütgendortmund wurde ein riesiges Waffenlager ausgehoben, und bis heute blieb uns die Polizei eine Auskunft über die Hintergründe schuldig.
Und auch Teile der Printmedien erweisen sich neuerdings als höchst verständnisvoll zugunsten der AfD. Nur noch ein Lokalteil einer Zeitung existiert heute in unserer Stadt. Kürzlich überraschten uns diese Ruhrnachrichten mit der Aufforderung, den marschierenden Neonazis nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Nazigegner sollten nicht gegen die Nazis auftreten, und ihnen nicht soviel Beachtung schenken. Das sind Worte, die wir seit 20 Jahren nicht mehr hörten oder lasen.
Aber es geht die Zeitung noch einen Schritt weiter: Und zwar im Fall Helferich.
Die AfD ist mit ihrem Bundestagskandidaten und NRW-Parteivize Matthias Helferich aus Dortmund nun endgültig im neofaschistischen Lager angekommen. Darauf weisen seine Selbstdarstellungen hin, er sei das „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ und der „demokratische Freisler“.
Die Nazifratze ein freundliches Gesicht? Da kann einem nur schlecht werden. Helferich plauderte über seine Kontakte zur Dortmunder Neonaziszene, die ihn bei der Wahl in den Bundestag unterstütze.
Und was machen die Ruhrnachrichten? Sie betreiben eine breite Popularisierung der Helferich-Thesen und verlangen, dass die Parteien und Demokraten sich in öffentlichen Veranstaltungen mit Matthias Helferich treffen, sich mit ihm an einen Tisch setzen, um mit ihm über seine widerlichen Thesen zu diskutieren. Das leistet NS-Propaganda Vorschub – ob gewollt oder nicht. Und diese ist verfassungswidrig. Ich weise nur auf Artikel 139 GG hin mit der Überschrift „Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften“. Zu diesen Rechtsvorschriften der Alliierten gehörte das Verbot der Nazipropaganda und das Parteiverbot der NSDAP und aller Nachfolgeparteien. Die gab es leider immer. Und auch heute.
Und nun kommt Verstärkung durch die AfD. Mit Hilfe der Ruhrnachrichten, die ihre Verbreitung der Thesen von Helferich und die AfD eine „lebendige Debattenkultur“ nennt.
Wir nordrhein-westfälischen Antifaschist:innen sahen es stets als unsere Verantwortung an, in Dortmund d.h. im Zentrum der rechten, betont antisemitischen Bewegungen den Druck der Demokraten aufzubauen. So wurde 1969 der Einzug der NPD in den Bundestag erfolgreich bekämpft.
Und dieser Kampf muss auch gegen die AfD geführt werden, mit der man sich nicht an einen Tisch setzt. 1969 wäre keine Zeitung auf die Idee gekommen zu empfehlen, Wahlveraanstaltungen gemeinsam mit der NPD durchzuführen, wozu heute die Ruhrnachrichten hinsichtlich der AfD raten.
Noch etwas zum neuen Freisler, der in den den Bundestag strebt. Eine Forsa-Umfrage ergab, dass mehr als 20 Prozent der Deutschen der Ansicht seien, das NS-Regime hätte auch gute Seiten gehabt. Auf die Stimmen dieser Wähler schielt die AfD.
Wenn nicht ein demokratisches Donnerwetter dazwischen kommt, wird dem nächsten Bundestag also ein „demokratischer Freisler“ – einst mörderischer Präsident des Volksgerichtshofes der Nazis – angehören. So nennt sich Matthias Helferich. Als neues Kennzeichen der Rechten bietet Helferich die Kornblume an. Sie sei das geheime Symbol der Nazis „während des Verbots in Österreich“ gewesen. Die Naziszene in Dortmund werde wohl aufrufen, ihn zu wählen, er „kenne die Jungs aus Dorstfeld“. Der frühere Junge Union-Angehörige Helferich war laut taz schon vor einiger Zeit mit antisemitischen Thesen aufgefallen.
Bisher waren Aufwertungen der Partei Die Rechte, der FAP und der zahlreichen Nazigruppen in Dortmund undenkbar. Vielmehr stieß deren Auftreten auf Protest, Widerstand und Blockaden. Die mediale Aufwertung Helferichs durch die Ruhrnachrichten, einst Parteizeitung der CDU, passt zu dem Streben der CDU-FDP-Landesregierung zu einem neuen Versammlungsrecht, mit dem wirksamer Protest gegen Rechts erschwert werden soll.
Ein Fehler ist es auch, nicht genauer über Roland Freisler und seine tausende Todesurteile gegen Antifaschisten zu berichten. Sein Volksgerichtshof mordete die Studenten der Weißen Rose. Ermordert wurden Menschen nur deshalb, weil sie einen ausländischen Rundfunksender hörten. Um den jüngsten zum Tode Verurteilten, den 17jährigen Helmuth Hübener wegen sog. “Rundfunkverbrechen” und Verteilens von Flugblättern hinrichten lassen zu können, veranlassten Juristen wie Freisler die Senkung des Alters für die Todesstrafe. Schon vor 50 Jahren haben Nachkriegsbehörden Roland Freisler Absolution erteilt, indem sie davon ausgingen, dass der bei einem Bombenangriff ums Leben gekommene höchste Richter nach dem Krieg weiter in seinem Beruf aufgestiegen wäre. Daher wurde seiner Witwe Marion Freisler die Witwenrente der Kriegsopferversorgung um monatlich 400 DM für viele Jahre erhöht.
An diesen freundlichen Umgang mit Nazis möchte die AfD anknüpfen. Und daran wollen wir sie hindern.
Ich sagte nichts zum Thema Klima. Nur dies: Auf zu den Demos von Friday for Future morgen!
Ich sagte nichts zum Frieden. Auch da muss ich die Ruhrnachrichten anklagen: Wir erfahren nichts über den Plan, in Bochum ein NATO-Zentrum für den Cyber-Krieg einzurichten. Das geht aber alle an, alle 5 Mio. Menschen im Ruhrgebiet. Ich rufe auf: Informiert Euch über diese gefährlichen Pläne. Protestiert!
Ich sagte nichts zu Corona. Nur dies: Wenn ein rechter, von der AfD beeinflusster Mörder einen jungen Mann, der ihm zum Maskentragen auffordert, erschießt, dann hat die AfD mitgeschossen. Stoppen wir die Nazis, die AfD und den Thor Steinar Laden!