Rede der VVN-BdA NRW bei der Gedenkveranstaltung am Wenzelnberg 23.4.2023
4. Mai 2023
Kriegsendphasenverbrechen, Wenzelnbergschlucht
Rainer Köster, Velbert
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe KollegInnen und FreundInnen,
ich freue mich sehr, als Vertreter der VVN-BdA heute hier zu Ihnen/ Euch sprechen zu können. Das war in der Vergangenheit nicht immer möglich, besonders in der Zeit des ‚Kalten Krieges‘ wurde die VVN in der BRD immer wieder verleumdet und mit Verbotsdrohungen überzogen. Zuletzt lag noch bundesweit das Damoklesschwert der Aberkennung der Gemeinnützigkeit über uns, das nun – vor allem Dank des Einsatzes vieler demokratischer Verbände und Personen – abgewendet wurde. Dafür möchte ich mich namens der VVN-BdA in NRW auch bei vielen hier Anwesenden herzlich bedanken.
Wir gedenken heute hier der 71 Todesopfer vom 13.4.1945. Sie selbst und ihre Familien blieben in der Öffentlichkeit lange Zeit weitgehend vergessen und die heutige Gedenkveranstaltung führte lange Zeit ein Nischendasein. Das ist nun zum Glück seit etlichen Jahren durch das Engagement der beteiligten Städte anders. Aber die Täter von damals wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Während sich der Oberbefehlshaber des sog. ‚Ruhrkessels‘, GFM Model, als „Hitlers Feuerwehrmann“ und willfähriger Vollstrecker des sog. „Nerobefehls“ kurz vor Kriegsende sowie der Wuppertaler Gestapo-Kommissar Hufenstuhl einige Wochen später umbrachten, blieben andere lange Zeit unbehelligt. Ein Mittäter, Friedrich Karst, konnte sogar zwei Jahre das NRW- LKA leiten, danach 6 Jahre stellvertretend. Während ehemalige NS-Juristen und -Beamte nach 1945 wieder Einzug in Landes- und Bundesministerien hielten und dort z.T. die Aufarbeitung der Naziverbrechen und Entschädigungen für Verfolgte blockierten, be- und verhinderten, erhielten sehr viele Opfer des Faschismus überhaupt keine oder nur minimale Wiedergutmachungen für ihre Leiden. *Das Massaker am Wenzelnberg war sicher eines der schlimmsten Naziverbrechen weit und breit, aber bestimmt nicht das einzige. Deshalb füge ich einige bekannte Opfer der näheren Umgebung hinzu, um der NS-Verfolgung weitere Namen und Gesichter zu geben. Sie sind belegt durch Zeitzeugen, Gestapo- und Justizakten. Ich habe sie nicht allein recherchiert, sondern auch Veröffentlichungen von Archivaren und Wissenschaftlern wie Michael Okray und Dr. Stefan Stracke dazu benutzt. Neben Mord und Totschlag gab es auch noch anderes Unrecht in der Nazizeit in unserer Region:
So wurde z.B. der Kurzuschuss für die überlebende Jüdin Karoline Schmidt in Mettmann 1955 jahrelang verweigert. Nur ca. 100 m Luftlinie von hier sollte 1942 die Zivilangestellte bei der Düsseldorfer Polizei Else Bi. vom Dienst ent-fernt werden, weil sie einen Langenfelder Fabrikanten wegen Falschparkens vor einer Immigrather Wirtschaft anzeigte, der sich mit Hilfe der Langenfelder Nazis revanchierte, da sie angeblich mit einem jüdischen Kaufmann eine ‚rassenschänderische Beziehung‘ unterhalten hatte. Das war zwar vor Inkrafttreten der so. „Nürnberger Gesetze“ 1935. Aber das spielte bei den oft willkürlichen Taten von Denunzianten und unteren Nazi-chargen keine Rolle. So soll Göring, der 2. höchste Nazi hinter Hitler, gesagt haben: „Wer Jude ist, bestimme ich.“ Ihre Gestapoakte endet ohne weitere Angaben 1943. Ob sie deswegen jemals entschädigt wurde. Ist nicht bekannt. Neben dem meist tödlichen Rassismus gegen jüdische Menschen gab es bei den Nazis aber noch andere Verfolgte aus demselben Motiv, z.B. die 41 in Auschwitz er-mordeten Sinti und Roma aus Wuppertal-Klingholzberg ,wie Paul Munk und Peter Wilics, die Solinger Sinti Heinrich Einacker, Robert Reinhardt und August Rose sowie die Remscheider Robert Wilics und Hugo Lehmann. Und auch Tau-sende ZwangsarbeiterInnen und Euthanasieopfer aus der Region Düsseldorf- Bergisch Land zählen zu den bis in den Tod Verfolgten des menschenfeindlichen und tödlichen Rassismus der Nazis.
Zu den Sinti und Roma bei uns sind ab 2012 endlich Veröffentlichungen u.a. von Michael Okroy u. im Gedenkbuch Wuppertal erschienen. Zu lange wurde das Schicksal der sog. „Zigeuner“ im Naziregime geschwiegen oder gelogen. Hier könnten junge Menschen in unseren Schulen noch wichtige Nachforschungen am Ort betreiben. Zwangsarbeitende sind auch in der Todesliste vom Wenzelnberg enthalten. Es brauchte damals nicht viel, um bei den Nazis als ‚minderwertiger Slawe‘ pol-nischer oder sowjetischer Herkunft ins Gefängnis oder KZ zu kommen. Schon geringfügige Übertretungen der restriktiven Bestimmungen reichten da-zu aus – z.B. zu langsames Arbeiten und Kartoffelmitnahmen vor Hunger und Entkräf-tung. Andere sog. ‚Delikte‘ wurden von den Nazis mit dem Tode bestraft. So wurde der polnische Landhelfer Tomazs Brstowizc in Hochdahl vor 145 Landsleuten öffentlich erhängt, weil er ein Liebesverhältnis mit einer deut-schen ‚Arbeitsmaid‘ hatte. In Heiligenhaus geschah seinem Landsmann Stanis-laus Zrubeck das gleiche, weil er „aufsässig gegen seinen Brotgeber war“. Und in Wülfrath wurden drei junge sowjetische Zwangsarbeiter aus Wuppertal erhängt. Der Grund ist unbekannt, er hätte aber auch niemals diese grausame Tat gerechtfertigt. Am 15.4.1945 wurde noch der polnische Landhelfer Stanis-laus Sczopanski auf dem Hof des Ortsgruppenleiters erschossen. Auch Deutsche konnten mittelbar vom aggressiven Rassismus der Nazis betroffen sein, wenn sie ihren ausgehungerten ArbeitskollegInnen z.B. heimlich Brot oder Obst zu-steckten. Das kostete oft wenigstens mehrere Monate Gefängnis, evtl. auch in Lüttringhausen, von woher die meisten der 71 Todesopfer vom Wenzelnberg kamen – so wie der Kalkarbeiter Karl Horn aus Wülfrath-Schlupkothen. In Wülfrath haben wir als VVN-BdA auch am 27.1.23 ehrende und mahnende Gedenkplatten für 137 bekannte ums Leben gekommene Zwangsarbeitende mit initiiert. Dies geschah mit Unterstützung von Rat und Verwaltung, des neuen Kalkwerksbesitzers, des Landes NRW und der örtlichen Presse. Wir haben als VVN/ BdA- Niederberg dazu eine Broschüre veröffentlicht und hoffen, dass viele junge Menschen darin lesen und weiterforschen. Auch um solchen Stimmen aus dem rechten Lager klar entgegenzutreten wie dem AfD- MdB Renner aus den nahegelegenen Haan, der ähnlich wie seine Parteifreunde Gauland (Nazireich= „Vogelschiss der Geschichte“) und Höcke (jüdisches Denk-mal= „Denkmal der Schande“) einen „Schluss mit Schuldkult“ forderte. Diese apologetischen Formulierungen sollen dazu führen, die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen oder totzuschweigen. Und dies bedeutet letztlich auch die mögliche Wiederholung der gleichen Verbrechen wie systematischen Massen-mord und Krieg. Wir als VVN-BdA halten es da klar mit unserer leider verstorbenen Ehrenpräsi-dentin Esther Bejarano als einer der wenigen Auschwitz-Überlebenden bei ihren zahlreichen Erinnerungsberichten vor jungen Leuten: „Ihr habt keine Schuld an dem, was damals geschah. Aber Ihr macht Euch (mit) schuldig, wenn Ihr nicht wissen wollt, was damals geschah.“ In diesem Sinne fordern wir als VVB/BdA die Fortsetzung einer wachen, ehrlichen und demokra-tischen Erinnerungskultur, die wir gerne auch vor Ort unterstützen. Dabei sollten auch bisher kaum wahrgenommene Opfergruppen mit einbezogen werden. Am Wenzelnberg gehört deshalb auch der deutliche Hinweis auf die vielen Opfer des Euthanasiewahns der Nazis dazu. So wurden in der sog. „Zwischen-anstalt“ Langenfeld-Galkhausen „…von April bis August 1941(…) 870 als ‚geistes-krank‘ eingestufte Menschen von hier nach Hadamar transportiert.“( RP v.28.1. 2015) Dort wurden die als „unwertes Leben“ Bezeichneten mit LKW-Abgasen ermordet, andere wurden auch mit dem Barbiturat ‚Luminal‘ getötet. Damals wurden neben Patienten mit Erbkrank-heiten und psychischen Störungen auch solche mit unangepasstem Verhalten von den braunen „Erbbiologen“ als schädlich für die sog. „Volksgemein-schaft“ angesehen und zumeist medizi-nisch ‚sonderbehandelt’d.h., unfrucht-bar gemacht, oder ganz „ausgemerzt“, um die sog. „arische Rasse rein zu halten“. (Ähnliches hört man bei uns heute von Rechtsradikalen bei ihren ‚Aufmärschen‘.) In Galkhausen selbst sind damals jährlich um 100 Patienten an Hunger und mangelnder medizini-scher Versorgung gestorben. Auch nach dem 24.8.1941 wurden von dort etwa 1.500 Kranke in die Ostgebiete verlegt. Von ihnen hat kaum einer überlebt. Zwei mitbeteiligte Ärzte wurden deswegen aber 1950 vom Düsseldorfer Schwurge-richt freigesprochen.. Die LVR-Klinik Langenfeld ist nur wenige km von hier entfernt. Seit einigen Jahren gibt es dort im Klinikpark einen Gedenkstein mit 24 Namen von Euthanasieopfern. In wenigen Tagen jährt sich am 2. Mai zum 90. Mal das Verbot der Gewerk-schaften durch die Nazis. Das ist für mich als jahrzehntelang ehrenamtlich tätiger Gewerkschaftsfunktionär im Kreis Mettmann natürlich ein besonders denkwürdiges Datum. In Velbert, Mettmann und Hilden wurden die Gewerkschaftshäuser besetzt und ihr Eigentum von der DAF einverleibt, die Funktionäre – zumeist Sozialdemokraten – entlassen oder wie der Mettmanner DMV- Sekretär Max Herbrig und der kommunistische Betriebsratsvorsitzende Thewelissen von BKS in Velbert bereits vorher in sog. „Schutzhaft“ genommen. Davor waren bereits tausende KPD- und hunderte SPD- Mitglieder zwischen Rhein und Wupper verhaftet, eingesperrt, geschlagen, gefoltert und dabei z.T. auch er-mordet worden. Eine verbreitete Todesursache von politi-schen Nazigegnern lautete damals offiziell: „Auf der Flucht erschossen“.
• Am 1. Mai hatten noch die Führungen von ADGB und Christlichen Gewerk-schaften mit der NSBO der Nazis und Unternehmern zu gemeinsamen Fest-umzügen und Maifeiern aufgerufen, bei denen es sogar Biergeld für Arbeitslose gab. Damit sollten sie wohl für die Nazis eingenommen werden. Vorher hatten Betriebsratswahlen stattgefunden, bei denen die Nazis nur in wenigen Betrieben die Mehrheit erringen konnten. In den meisten Fabriken, Gruben und Schächten an Rhein, Ruhr und Wupper wählten die Arbeiter im März/ April 1933 die freien und christ-lichen Gewerkschaften oder die ‚rote Einheitsliste ’in ihre Betriebsräte, so auch in Velbert, Mettmann, Hilden und Umgebung. Danach übten die Nazis aber einen solch großen Druck auf sie aus, dass viele der gewählten Betriebsräte ‚freiwillig‘ zurücktraten und Nazis an ihre Stelle traten – wie z.B. auch im größten Mettmanner Betrieb. Wer wollte den Kollegen das damals verdenken, angesichts der vielen Inhaftierten in den Gefängnissen und Folterkellern der SA? Örtliche Vorläufer der KZ wie die Koburg im Neandertal oder die berüchtigte Kemna in W.-Beyenburg befanden sich bereits im Aufbau. Aber nach den ersten Verhaftungswellen und dem 2. Mai 1933 ebbte der Widerstand der Arbeiterschaft gegen die Nazis dennoch nicht ab. Hunderte SPD- und KPD- Anhänger sowie Parteilose gründeten illegale Gewerkschaftsgruppen in Wuppertal, Remscheid, Solingen und im Velberter Raum. Sie trafen sich privat, zahlten Beiträge, druckten Flugblätter und sammelten für inhaftierte Kollegen. 1935 flogen diese Betriebszellen auf, die Nazis verhafteten im Bergischen Land etwa 1.200 Arbeiter. Im 1. Prozess wurden in Velbert 77 NazigegnerInnnen zu insgesamt fast 156 Jahren Zuchthaus und fast 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Etliche wurden noch in KZ eingewiesen und zwei Kollegen- Heinrich Kuhlemann und Karl Astheimer- starben danach. Für sie liegen Stolpersteine vor dem Velberter IG-Metallhaus. In Wuppertal wurden etwa 600 Angeklagte aus dem Textil- und Metallbereich abgeurteilt. Etliche starben aber vorher bei Folterverhören durch SA und Gestapo. Ihr sog. *Verbrechen‘ war der Aufbau der illegalen Einheitsgewerkschaft. Die Wuppertaler Prozesse waren eine der größten Widerstandsaktionen der deutschen Arbeiterbewegung. Die Inhaftierten und ihre Familien fanden damals auch internationale Solidarität durch das Amsterdamer „Wuppertalkomittee“.Das umfassende Buch von Dr. Stephan Stracke gibt dazu noch genauere Informationen.
Auch heute haben unsere Gewerkschaften mit Gegenwind aus dem sozialen und politischen Bereich zu kämpfen – sicher unter ganz anderen Umständen als damals. Davon zeugen x-faches sog. „Union-Busting“, die Behinderung von Betriebsratswahlen, das Unterlaufen von Tarifverträgen, Sozial- und Sicher-heitsstandards – aber auch publizistische Beeinflussung wie die Propagierung der sog. „Lohn-Preis-Spirale“ oder die öffentliche Diffamierung von hohen Lohnforderungen zum Inflationsausgleich mit spürbaren Streiks. Die VVN-BdA ist stolz auf ihr gutes Verhältnis zum DGB und seinen Einzelge-werkschaften. Das hat Tradition und seine Ursachen in den schwärzesten Stun-den der Arbeiterbewegung während des Faschismus. Deshalb treten wir ein gegen den Einzug rechter Seilschaften in die Betriebs- und Personalräte, für die Verteidigung und Erweiterung des Koalitions- und Streikrechts als elementare demokratische Betätigung bei uns und überall. Starke Betriebsräte und Gewerkschaften stabilisieren letztlich auch unsere Demokratie gegen Neofa-schisten und sog. „Rechtspopulisten“ von AfD & Co.! Eine Studie des IZA- Insitute for Labour Economics besagt übrigens, dass in Betrieben mit Betriebs- oder Personalräten die Belegschaft deutlich weniger zu rechtsradikalen Parteien tendiert. Die Wahrscheinlichkeit nach rechts zu neigen, sinke um 50%.
Dass die Nazis auch Mitglieder bürgerlicher Parteien verfolgten, die Hitlers Er-mächtigungsgesetz zugestimmt hatten, belegt das Beispiel des Heiligenhauser Zentrum-Gemeinderats Johann Schell. Er wurde von SA-Leuten durch die Stadt getrieben, die wenigen Polizisten zu einem weit entfernten Einsatz gelockt und Schell auf der Polizeiwache halb tot geprügelt- in sog. „Schutzhaft“!
• Im Schatten der Schlagzeilen legen Rechtsradikale bei uns weiterhin bedrohliche Aktivitäten an den Tag. Davon zeugen z.B. die Verhaftungen Ende letzten Jahres mit erheblichen Waffenfunden aus dem Umfeld der ‚Reichsbürger‘-Szene, bei denen es auch konkrete Putschpläne gab. 2022 haben lt. Bundesinnenministerium auch 15.700 Menschen an Aufmärschen der extrem Rechten teilgenommen. Darin sind AfD-Aktionen noch nicht enthalten. Beim sog. „Chatadministrator“ des rechtsra-dikalen Netzwerkes „Nordkreuz“ fand man 55.000 Schuss Munition, lt. Innenministerium gab es am 30.9.22 674 offene Haftbefehle gegen Rechts-extreme in D. und lt. WAZ v. 18.2.23 ist die ‚Strafverfolgung gegen Hass u. Hetze im Netz eher dürftig‘, besonders bei Rechtsradikalen im Messenger-dienst Telegram. Die 89 Maßnahmen der Ampelkoalition gegen Rassismus u. rechtsextreme Ideologie sind bisher kaum umgesetzt worden. Das LKA-Brandenburg listete vor kurzem 31 rechtsextreme Tonträger mit gewaltverherrlichenden Texten auf. Bei einer sog. ‚Mahnwache‘ der neofaschis-tischen Partei „Die Rechte“ vor der Braunschweiger Synagoge von 19.33 – 19.45 Uhr beschimpfte Vorstandmit-glied Kiese die anwesenden Journalis-ten mit „Judenpresse- Judenpack- Feuer und Benzin für euch!“ Das geschah schon 2020. 2 ½ Jahre später wurden von der Justiz die Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen Kiese eingestellt. Begründung: „Die Äußerun-gen des Beschuldigten waren in der konkreten Situation nicht geeignet, jemanden aufzuhetzen.“(lt. „Antifa“03-04/23 d. VVN-BdA)
So etwas wirkt in der Öffentlichkeit – nämlich als Einladung an alte und neue Antisemiten bei uns, weiterhin straffrei ihre Nazihetze zu verbreiten! Betroffen gemacht hat mich als langjähriges Kreistagsabgeordneter auch der Bericht über eine Kreistagssitzung in Grevesmühlen(MV) von Ende Januar 2023. Dort sollte in nichtöffentlicher Sitzung über den Bau einer Container- Flücht-lingsunterkunft beraten werden. Nur 120 Polizisten konnten den Sitzungssaal vor wütenden Störungen durch sog. ‚Protestierer‘ schützen…
Manchmal verbergen sich Verharmlosung oder klammheimliche Sympathie mit Rassismus und Neonazismus auch hinter dummen Sprüchen wie: „(Die Opfer waren) wohl zur falschen Zeit am falschen Ort- Pech gehabt.“ Das ist nicht nur pietätlos, sondern verhöhnt die Opfer und klammert die Täter und ihre Schuld aus. Denn diese bestimmten z.B. auch Zeit und Ort bei der Ermordung der 71 Todesopfer des Massakers am Wenzelnberg so kurz vor Kriegsende.
Das alles sind Gründe genug, um die kritische und wachsame Gedenkkultur wie hier und heute aufrechtzuhalten und zu verteidigen. Gegen rechtsextreme Angriffe, aber auch gegen Gedankenlosigkeit und willfährige Vereinnahmung und Instrumentalisierung nach tagespolitischer Opportunität.
Auch Geschichtsklitterung, Faktenleugnung und – Verdrehung drohen sich immer wieder bei den Verbrechen der Nazis, die Täter von damals samt ihrer Kollaborateure in sog. ‚neues historisches Licht‘ einzutauchen. Wir werden uns für so etwas nicht manipulieren lassen, selbst wenn es im sog. „Medien-Mainstream“immer wieder versucht wird.
Ich warne aber auch vor evtl. unbedachten Folgen von reduzierten Lehrplänen an unseren Schulen infolge der Corona-Einschränkungen. Wohin das z.B. bei Geschichte/Politik führen könnte, zeigen die 50-er und 60-er Jahre, in denen die jüngste Geschichte unseres Landes im Kernunterricht so gut wie nicht vor-kam. Gerade bei diesem Thema wären aber Verkürzung und Straffung unverzeihlich und entzögen einer faktengestützten historischen Aufarbeitung des deutschen Faschismus in unseren Schulen weitgehend den Boden! So etwas entspräche auch sicher nicht den Urhebern unseres Grundgesetzes wie dem Sozialdemokraten Carlo Schmidt oder dem Remscheider Kommunis-ten Hugo Paul. Beide haben leidvoll im Exil bzw. in den Folterhöllen der Nazis erlebt, was es heißt, wenn die Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Deshalb ist sie auch als wichtigster Grundsatz in unserer Verfassung verankert und muss geschützt werden – immer wieder neu von uns allen.
Wir Antifaschisten der VVN-BdA bringen uns in die Bewahrung demokratischer Werte mit dem Schwur von Buchenwald ebenfalls ein: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Aber zu unserer immer wiederhol-ten Aufforderung: „Nie wieder Faschismus!“ gehört auch: „Nie wieder Krieg!“ Auch die VVN-BdA verurteilt den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine auf das Schärfste. Dabei lassen wir uns aber nicht unseren wachen kritischen Geist nehmen: So ist z.B. eine sog. „Entnazifizierung“ mit der Bombardierung von Kliniken und Theatern genauso unglaubwürdig wie der Kampf für Demokratie und Freiheit durch Armeeeinheiten, die offen SS-Symbole wie die sog. „Wolfsangel“ benutzen. Gleichzeitig wehren wir uns aber auch gegen forcierte Aufrüstung und das Anwachsen einer bellizistischen Strömung, die nur in mehr Waffen ihr Heil sieht und jede pazifistische Regung in unserem Land wie die für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen von vornherein denunziert und öffentlich verleumdet. Diplomatie ist nie verkehrt, auch wenn sie zunächst nur bescheidene Erfolge auf friedlichem Weg zeitigt. Insofern ist der Satz von Friedensnobelpreisträger Willy Brandt am 10.11.1989 in Berlin immer noch richtig und wegweisend: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen“. Dem ist nichts hinzuzufügen…
Ich danke für Ihre/ Eure geduldige Aufmerksamkeit.