Rechenschaftsbericht zur Landesdelegiertenkonferenz

22. März 2020

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Motto der Landesdelegiertenkonferenz (Foto Jochen Vogler).

vorgetragen von Jochen Vogler

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung – der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Wir alle kennen diese letzten Sätze des Schwurs von Buchenwald. Der Schwur leitet unser Handeln und unser Selbstverständnis.
Wer hätte gedacht, daß dieser Schwur, den die 21000 internationalen Häftlinge nach ihrer Selbstbefreiung auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald schworen einmal als Beleg als „kommunistische Hervorbringung“ der Verfassungsschutzämter herangezogen würde um unsere Vereinigung als „linksextremistisch“ zu diffamieren.
So geschehen vom hessischen Landesamt für Verfassungsschutz.


In der juristischen Auseinandersetzung von Silvia Gingold gegen das hessische Landesamt auf Löschung ihrer Daten und Einstellung ihrer Beobachtung dort erfuhren wir nicht nur dies, sondern auch, daß im Verbund der meisten Landesämter unsere Vereinigung dort weiterhin unter Beobachtung steht, auch wenn sie in den Jahresberichten nicht ausdrücklich aufgeführt ist.
Fortgesetzt Jahr für Jahr unter der Rubrik „Linksextremismus“ ist die VVN/BdA in den bayrischen Verfassungsschutzberichten als „linksextremistisch beeinflußt“ dargestellt.
Dies ist aktuell der Anlaß für mehrere Finanzämter, unserer Vereinigung die Gemeinnützigkeit zu entziehen. – Für unsere Landesvereinigung konnte dies zunächst abgewehrt werden, für einige Kreisvereinigungen in unserem Land besteht diese Androhung fort und für die Bundesvereinigung ist der Entzug der Gemeinnützigkeit festgelegt. – Nicht genug damit, den Landesvereinigungen Saarland und Thüringen wurde die Gemeinnützigkeit unter den Auflagen gewährt, keine Beiträge an die Bundesvereinigung weiterzuleiten und die Satzungen entsprechend zu ändern.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

dies sind die schärfsten Angriffe auf unsere Vereinigung seit den Verbotsverfahren in den frühen 1960er Jahren.
Daß in unserer Gesellschaft noch eine breite antifaschistische Haltung sichtbar ist, paßt vielen politischen Kräften nicht ins neoliberale Konzept.
Festzustellen ist jedenfalls, daß nach wie vor von staatlicher Seite gegenüber rechtsextremen -d.h. rassistischen Haß- und Gewaltaktivitäten bemerkenswerter Langmut waltet.

Liebe Kameradinnen und Kmeraden,

schon während der letzten beiden LDKs beschäftigten wir uns mit der zunehmenden gesellschaftlichen Bedrohung in diesem Land durch die AfD. Richard Gebhardt war der Referent dazu bei unserer letzten LDK.
Als Fazit seines Beitrages stellte er damals fest:
Es gibt keinen reinen >Rechtsruck< in der Bundesrepublik Deutschland. Ob Abschaffung der Wehrpflicht, „Energiewende“, Diversity-Richtlinien, Antidiskriminierungsgesetze, die Anerkennung des „Einwanderungslandes“ oder die Ausrufung der „Willkommenskultur“ – die nationalkonservativen und traditionalistischen Milieus haben zahlreiche Niederlagen erlitten. Der Rechtspopulismus ist ein Chamäleon zwischen autoritärem Neoliberalismus und Sozialpopulismus. Dieses Phänomen kann nicht mit Verweis auf die (tatsächlich fluide) >Programmlage< entzaubert werden. Die politische Bildung muss die Perspektive für den Kulturkampf in der Bundesrepublik schärfen.

Vielleicht bewerte ich dieses Fazit zu ungenau; denn natürlich stimmt auch der Hinweis auf breite gesellschaftliche Veränderungen und hinzuzufügen besonders in den letzten zwei Jahren auf breite gesellschaftliche Bewegungen. Die Seebrücke, fridays for future, die große Demo #unteilbar, die in einem sehr vielfältigen Bündnis zusammen gekommene Demo in Düsseldorf gegen das Polizeigesetz, die zunehmende Friedensbewegung und aktuell und ganz erfreulicherweise die bundesweit spontanen Demos gegen die Ministerpräsidentenwahl mit AfD-Stimmen in Thüringen und zu den Terroanschlägen in Halle und Hanau.
Aber mir kommt es schon so vor, daß die AfD in diesem Vortrag doch harmloser dargestellt wurde als sie wirklich ist.
Vor allem war in den letzten Jahren festzustellen, daß es der AfD gelungen war, zunehmend die politischen Themen zu bestimmen. Auch mithilfe einer überdehnten Medienpräsenz.
Und wir sind Zeitzeugen für den erstaunlichen und erschreckenden Aufstieg der AfD in der deutschen Parteienlandschaft bis zur inzwischen größten Oppositionspartei im Bundestag und ihrer erfolgreichen Wühlarbeit zur gesellschaftlichen Spaltung. Die politische Bildung scheint dagegen kaum noch was auszurichten.
In diesem Jahr haben wir die wichtige Aufgabe, die AfD so gut wie möglich zu den Kommunalwahlen auszubremsen und nach Möglichkeit zu stoppen.
Aufgrund eines zweifelhaften Demokratieverständnisses werden der AfD während der Wahlkämpfe immer wieder Podien für ihre Hetze geboten werden.
Dagegen brauchen wir noch viele Mitstreiter-innen in der Initiative AgR. In diesem Bündnis sind wir selbstverständlich beteiligt..

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg – das ist die prägnante Kurzformel des Buchenwaldschwurs.
Es ist erschreckend, wieviele Kriege zur Durchsetzung ökonomischer Interessen außerhalb Europas und den USA hauptsächlich im Nahen Osten aber auch in afrikanischen Ländern unter Bundeswehrbeteiligung stattfinden. Und es ist erschreckend, in welchem Ausmaß militärische Drohkulissen seitens der Nato immer mehr einen neuen Weltkrieg wahrscheinlich machen. Die ökonomische Vormachtstellung der USA und der europäischen Mächte werden durch die aufstrebenden Ökonomien von China und Rußland zunehmend erkennbar infrage gestellt. Und damit sind diese Länder für den Westen ökonomisch nicht
nur Konkurrenten sondern globale Feinde, die militärisch zu bedrohen sind.
Aktuell ist Deutschland das Transitland zu Land, zu Wasser und in der Luft für schweres Militärgerät und 37 000 Soldaten an die russische Grenze zum Nato.Manöver Defender 2020.
Ausgerechnet und zynischerweise wurde der Mai 2020 zum 75igsten Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges und damit der Befreiung von Krieg und Faschismus als Beginn des Manövers festgelegt. Allen politisch Verantwortlichen ist bekannt, daß die Rote Armee der Sowjetunion den größten Anteil am Sieg über den Faschismus beigetragen hat und daß die Sowjetunion die meisten Opfer in diesem Krieg zu beklagen hat.
Gegen alle politische Vernunft wird schon seit längerem Rußland zum Feindbild für den Westen erklärt. Die Stimmen und die Stimmung in der Gesellschaft gegen diesen Irrsinn ist noch immer zu leise. Die Ostermärsche werden dies hoffentlich ändern.
Als Teil der Friedensbewegung werden wir die Ostermärsche und die zahlreichen Proteste gegen das Manöver unterstützen.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

seit unserer letzten LDK hatten wir einige nicht vorhersehbare und damit nicht planbare Herausforderungen zu bewältigen.
1. der gewählte Kassierer Jan mußte aus gesundheitlichen Gründen seine Aktivitäten für die Landesvereinigung beenden. Neben der Kassierertätigkeit gehörte dazu auch die Pflege unserer website.
Wir danken Jan an dieser Stelle ausdrücklich für seine Arbeit für die Landesvereinigung.
Beide Funktionen mußten wir personell neu organisieren. Dies ist uns gelungen. Für die Pflege der website hat sich Knut bereit erklärt und dies gelingt ihm sehr sorgfältig. Nils organisiert unseren facebook-Auftritt. – Die Kassierung haben nach einer kurzen anderen personellen Absprache kommissarisch die Landessprecher und von denen besonders die Silvia übernommen.
2. Unser Landesbüro in Wuppertal war in der Vergangenheit unterschiedlichen unerfreulichen Attacken ausgesetzt. Einigen Einbrüchen mit dem Diebstahl von Bürotechnik folgte ein Wasserschaden aus der darüber liegenden Wohnung und schließlich während der langwierigen Umbauphase im Haus ein schwerwiegender Wasserschaden im Archivkeller aufgrund von Starkregen in Wuppertal. Zum Glück und mit viel Hilfe konnte das meiste Archivmaterial gerettet werden. Zu danken ist besonders dem Landschaftsverband Rheinland, der unbürokratisch und kostenlos wertvolle Archivkartons ersetzte.
Die Klara wird dazu gleich noch berichten
Alles zusammen führte zu dem Entschluß, ein neues Büro zu suchen. In Oberhausen wurden wir fündig. Renovierung und Umzug mußten bewältigt werden. Für die Einrichtung des Büros mußte alles neu beschafft werden. Dank den Rücklagen aus dem Vermächtnis von Maria Wachter und zahlreichen Spenden war das alles finanziell gut zu schaffen. Die Einweihung des Büros am 15.2. 2019 war sehr erfolgreich und hier in Oberhausen hat unsere Landesvereinigung auch einige Wurzeln, die verbunden sind mit dem Namen Kaplan Josef Roissant, der einige Zeit auch dem Präsidium der VVN angehörte und insbesondere mit dem Bundeskongreß 1971, bei dem die VVN die Öffnung für neue junge Mitglieder zum Bund der Antifaschisten beschloß.
Hier ist jetzt alles eingerichtet und soweit Überblick geschaffen, daß der Aktenbestand gesichtet und geordnet werden kann. Wir danken allen, die uns bei diesen Anstrengungen geholfen haben.
3. Fast gleichzeitig mit der Einweihung des neuen Landesbüros erreichte uns die Nachricht vom Finanzamt Obehausen, daß uns wegen der Nennung als „linksextremistisch“ im bayrischen Verfassungsbericht die Gemeinnützigkeit zu entziehen sei.
Dieser Angriff auf unsere Vereinigung löste eine sehr erfreuliche Solidaritätswelle aus von Einzelpersonen, Abgeordneten aus verschiedenen Parlamenten bis zum Europaparlament, Gewerkschaften, Stadtratsbeschlüssen, Parteigremien und Vereinen. Unterstützt wurde alles von einer online-Petition, die über 5000 Unterschriften erreichte.
Sicherlich auch aufgrund dieser zahlreichen Solidarität erhielt die Landesvereinigung doch noch den Freistellungsbescheid für die Gemeinnützigkeit. Einige Kreisvereinigungen in unserem Bundesland, denen auch der Entzug der Gemeinnützigkeit angedroht wurde, warten allerdings noch auf den Freistellungsbescheid.
Fast gleichzeitig mit der Zusendung des Freistellungsbescheides für unsere Landesvereinigung wurde vom Finanzamt Berlin dem Bundesverband die Gemeinnützigkeit entzogen. Die Auseinandersetzung dazu dauert an.

Trotzdem waren wir mit verschiedenen Aktivitäten auch politisch aktiv.

• die Delegation der Landesvereinigung brachte die an den Bundeskongreß weitergeleiteten Anträge dort ein. Ulli Sander wurde erneut in den Bundessprecherkreis gewählt.
• Vor dem Konsulat von Lettland in Düsseldorf demonstrierten wir 2017 und 2018 gegen den „Marsch der Legionäre“ in Riga für die Veteranen der Waffen SS, von denen viele noch Renten aus Deutschland bekommen
• 2018 organisierten wir in Düsseldorf die 32. landesweite Antifa-Konferenz
• hervorzuheben ist in Erfüllung des Beschlusses der letzten LDK die Gedenkfahrt auf der Route des Todesmarsches von Köln nach Lüdenscheid am 3. März 2018
• beim UZ-Pressefest unterstützten wir personell den VVN-Infostand
• am 26.5.2018 unterstützten wir die Veranstaltung der VVN-BdA Solingen zum 25. Jahrestag des faschistischen Brandanschlags in Solingen
• im September 2019 waren wir erstmals als kleine Delegation des Landesverbandes bei der Gedenkfeier für die ermordeten Widerstandskämpfer in Arras beteiligt.
• Sowohl 2017 als auch 2018 und 2019 waren wir bei Rock gegen Rechts in Düsseldorf mit einem Infostand und 2018 auch mit der Ausstellung zur AfD vertreten.
• Wir demonstrierten mit bei der Demo gegen das Polizeigesetz in Düsseldorf
• Selbstverständlich sind wir jeweils beteiligt – auch in der Vorbereitung – bei den Ostermärschen und bei den Aktionen gegen die Nato-Kommandozentrale in Kalkar jeweils am 3. Oktober
• jedes Jahr sind mit einem Redner vertreten bei der Gedenkveranstaltung Wenzelnberg
• Unsere Eckpunkte haben wir an alle Landtagsabegordnete sowohl der bisherigen Landesregierung als auch der Regierung Laschet übersandt.

Die Kinder des Widerstands haben inzwischen die 4. Broschüre veröffentlicht.
Eine Buchveröffentlichung zu den Verbrechen der Wirtschaft ist von unserem Kameraden Günter Gleising aus Bochum erschienen.

Wir danken besonders unserem Ulli, der mit zahlreichen Beiträgen, Veröffentlichungen, Referaten und Reden und seiner großen und langen Erfahrung im antifaschistischen Kampf unserer Landesvereinigung viele inhaltliche Impulse gibt.

Klara und Gisela berichten von der Arbeit des Archivs (Foto Jochen Vogler).

Die Archivarbeit hat auch einen personellen Wechsel erfahren.
Wir danken der Klara, die immere wieder den weiten und umständlichen Weg auf sich genommen hat um im Landesarchiv zu arbeiten.
Nachfolgerin für die Klara ist die Gisela.

Die Auseinandersetzungen um die Gemeinnützigkeit hat auch einen positiven Aspekt:
Als Zeichen ihrer Solidarität sind bisher rd. 1500 Menschen der VVN/BdA beigetreten.
Für unser Bundesland konnten wir bisher über 200 neue Mitglieder aufnehmen.
Damit haben wir unser Ziel erreicht, bis zur heutigen LDK wieder über 1000 Mitglieder in NRW zu haben.

Der geschäftsführende und der Landesausschuß tagten regelmäßig. Zu den wiederkehrenden wichtigen Tagesordnungspunkten zählen die Berichte aus den Kreisvereinigungen. Dabei können wir erkennen mit wievielen regelmäßigen Aktionen zu den festen Gedenktagen 8. Mai und 9. November und auch sonstigen Aktivitäten die Kreisvereinigungen in ihren Kreisen antifaschisitisch wirksam sind. Besonders die Neofa-Ausstellung und die Ausstellung zur AfD konnte in den Kreisen viel Aufmerksamkeit erreichen.
Ich denke, es ist in den letzten Jahren gelungen, die Kommunikation zwischen den Kreisen und der Landesvereinigung zu verbessern. Dazu trägt auch unsere web-site bei.
Alles, was unsere Vereinigung leistet, auf Kreisebene und auch auf Landesebene geschieht ausschließlich ehrenamtlich. Dies bitte ich bei der Bewertung des Berichtes zu berücksichtigen.
Ich hoffe, daß wir mit dem neuen Büro in Oberhausen jetzt auch wieder kontinuierlich unsere eigentlichen – unsere politischen Aufgaben wahrnehmen können.
In diesem Sinne: nichts ist so gut, als daß es nicht noch zu verbessern wäre.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.