„ … und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende“

21. September 2019

Am 1. September, Antikriegstag 2019 in Bochum, hielt Günter Gleising (Vors. VVN-BdA-Bochum) die folgende Rede auf der Kundgebung auf dem  Husemannplatz:

Liebe Bochumer Bürgerinnen und Bürger!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg“ ist die ebenso alte wie aktuelle Forderung von Antifaschisten, Friedensfreunden, Pazifisten, Gewerkschaftern. Als Organisation von Widerstandskämpfern und ihrer Nachkommen sind wir dem Widerstand gegen den Faschismus und Krieg und seinen Lehren besonders verpflichtet.

Im Schwur der befreiten KZ-Häftlinge am 10. April 1945 auf dem Appellplatz in Buchgenwald heißt es: „ Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Die Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“ Es ist eine traurige Wahrheit, dass wir von diesem Ziel noch immer sehr weit entfernt sind. Aber Aufgeben werden wir nicht. Das ist auch der Grund für den Aufruf und die heutige Antikriegskundgebung.

Antikriegstag Bochum

Das im Grundgesetz Artikel 26 festgeschriebene Verbot zur Führung eines Angriffskrieges wurde ebenso nie ernsthaft beachtet, wie der im Artikel 87a GG festgelegten Auftrag, dass die Streitkräfte nur zur Verteidigung eingesetzt werden dürfen. Diese Formulierungen waren Zugeständnisse an die damalige Bewegung gegen die Remilitarisierung. Politiker, wie Franz Josef Strauß, kannten aber den Fall „Rot“. Und schon bald wurde im Geheimen der Auftrag so formuliert: “Die neue deutsche Armee wurde nicht gegründet, um den Bonner Staat zu schützen, sondern die neue deutsche Armee wurde gegründet, um eine Armee gegen die Sowjets ins Feld zu stellen“.1

Einher ging diese Entwicklung mit dem Bestreben der Reinwaschung der Wehrmacht und der Leugnung der Verbrechen des Militärs im 2. Weltkrieg. Und man ging noch weiter, indem direkt an die Traditionen der faschistischen Wehrmacht und ihrer „Kriegshelden“ angeknüpft wurde.

Die Gründung der Bundeswehr, der Marine und der Luftwaffe erfolgte mit Hilfe und der Übernahme von Offizieren und Generälen aus der Nazi Wehrmacht. Bundekanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte die Übernahme von Führungspersonal der Nazis so begründet: „Man schüttet kein schmutziges Wasser aus, wenn man kein sauberes hat.“2

Die überwiegende Mehrheit des Führungspersonals der neuen Bundeswehr hatte bereits früher in der Wehrmacht des Naziregimes „gedient“, mehrere Hundert waren sogar in den Kampfverbänden der Waffen SS tätig gewesen und an der Umsetzung des Vernichtungskampfes in Osteuropa, vor allem Russlands beteiligt. Nennen möchte die Generale Hans Röttger, Friedrich Foertsch, Adolf Graf von Kielmannsegg.

Aus der Vielzahl der Namen möchte ich ein Beispiel herausstellen: Adolf Heusinger. Er wurde vom Bundespräsidenten 1955 zum Generalleutnant und wenig später zum ersten Generalinspekteur der Streitkräfte ernannt. Dies obwohl er 1938 maßgeblich an Plänen für eine militärische Aggression gegen die Tschechoslowakei, dem Vernichtungskampf gegen die Bevölkerung in Osteuropa beteiligt war und als geistiger Urheber von Hitlers letztem Aufgebot, dem Volksturm gilt.

Der Werdegang und die Kontinuität von Heusinger sind gut ablesbar an den ihm verliehenen Orden:

– Er erhielt als Offizier der kaiserlichen Armee 1914 das Eiserne Kreuz, erster Klasse.

-Während seiner Dienstzeit als Offizier in Hitlers Wehrmacht 1939 das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern und 1942 das Deutsche Kreuz in Gold

– Im Dienste der Bundesrepublik schließlich 1963 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik mit Stern und Schulterband.

Heusinger und die vielen anderen Offiziere stehen für die Kontinuität der die Traditionspflege der Bundeswehr. Zwar wurden in dem überarbeiteten Traditionserlass von 2018 einige Anpassungen an die neuen Bedingungen (Keine Wehrpflicht, Auslandseinsätze) vorgenommen. Aber nach wie vor ist das Eiserne Kreuz das nationale Erkennungszeichen der Bundeswehr und das verklärte, ich zitiere, „Sinnbild für Tapferkeit und Ritterlichkeit“. Auch weiterhin sollen Angehörige der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundewehr aufgenommen werden können.

Noch immer gibt es über 20 Kasernen die nach Helden der Hitlerwehrmacht und weitere 37, die nach kriegerischen Eroberern benannt sind. Dazu gehören die von der Nazi-Propaganda gefeierten Kriegshelden wie der „Panzerknacker“ Dirk Liliental (Kaserne in Delmenhorst), der von Hitler für seine über 100 Flugzeugabschüsse ausgezeichnete, Hans-Joachim Marseille (Kaserne in Appen/SH) und dem als „Wüstenfuchs“ gefeierten Erwin Rommel (Kaserne Augustdorf). Und natürlich gibt es auch bis heute eine Kaserne, die nach dem „Schlächter von Tannenberg“ (1914) und Steigbügelhalter für Hitlers Machtantritt, Paul von Hindenburg benannt ist.

Aber Geschichte setzt sich fort, bis heute. Der Auftrag für das deutsche Militär wurde nach den Umbrüchen der 1990er Jahre neu definiert. Neue Feindbilder geschaffen und weltweite Aufträge. So ist es heute ebenso erschreckend wie skandalös, dass deutsche Soldaten in Afghanistan ebenso wie im Irak und in Syrien die „deutsche Freiheit“, in Mali und im Sudan „die deutschen Grenzen“ verteidigen und am Horn von Afrika und im Mittelmeer deutsche Interessen an Handelswegen „gesichert“ werden. Deutschland ist wieder einer der größten Produzenten von Rüstungsgüter. Waffen „Made in Germany“ werden in viele Länder geliefert. Darunter kriegführende Staaten wie Saudi Arabien.

Vor dem Hintergrund ihrer Traditionspflege ist es nicht verwunderlich das die Bundeswehr auch ein Tummelbecken für Rechtsextremisten aller Schattierungen war und ist. In den vergangenen Monaten häuften sich Berichte über mutmaßliche rechtsradikale Netzwerke oder auch eine „Schattenarmee“ mit Verbindungen zu Spezialeinheiten der Bundeswehr.

Der Fall Joachim Wundrak zeigt wie, obwohl die Altnazis gestorben sind, sich deren Denkweise und Ideologie in neuen Personen fortsetzt. Wundrak, 1955 in Kerpen geboren stieg auf zum Generalleutnant und Mitglied im Führungsstab der Luftwaffe. Nach seinem kürzlichem Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst trat er AfD bei und ist derzeit deren OB-Kandidat in Hannover.

Die Entwicklung innerhalb des Militärs brachte kürzlich ein CDU-Politiker auf den Punkt, als es sagte. Zitat: „Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AFD“.

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Es gibt weitere ereiche im Staat mit rechten Umtrieben. Auch hier zunächst ein Blick in die Geschichte. Mit der Aufnahme des Artikels 131 in das Grundgesetz im Jahr 1951 wurde fast allen ehemaligen Nazis das Recht auf Wiedereinstellung in den Öffentlichen Dienst ermöglicht. So konnten alte Nazis führend am Aufbau der Geheimdienste, die Justiz, Polizei, Hochschulen und anderen Behörden mitwirken. Und deren Arbeit und Ideologie setzt sich bis heute fort. Zum Beispiel in den Geheimdiensten. Nur so die Rolle des Verfassungsschutzes bei dem NSU-Terror erklärlich.

Die Spitze des Eisberges zeigte sich bis vor kurzem in der Person des Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. Auch er in der jungen Bonner Republik, 1962, geboren war bereits wegen seiner Aussagen zum Asylrecht umstritten, wurde aber dennoch 2012 zum Präsidenten des Verfassungsschutz ernannt. Seine weiteren Affären, politischen Aussagen und Handlungen sind uns alle noch in Erinnerung. Maaßens rechte Gesinnung, seine offene Sympathie mit der AfD und seine schützende Hand über den rechten Mob (Chemnitz) wurde schließlich sogar der Bundesregierung zu viel und er musste vor gut einem halben Jahr in den Beamten-Ruhestand gehen, wirbt aber jetzt innerhalb der sogenannten Werteunion der CDU für eine Brückenschlag mit AfD-Anhängern.

Ein verhängnisvoller Korpsgeist und teilweise rechte Gesinnung macht sich auch innerhalb der Polizei und des Bundesgrenzschutzes breit. In Landesteilen wie Bayern, Hessen, Mecklenburg treten Verbindungen von Beamten zu Reichsbürgern, der Prepperszene (Selbstversorger im Spannungsfall) und rechtsextremistischen Gruppen auf. In NRW sollen es nur Einzelfälle sein. Selbst die Polizeiakademie Hamburg geht davon aus das es „tatsächlich Milieus in der Polizei gibt, die rechtsgerichtet sind, die auch eine Affinität gegenüber rechten Parolen haben“.3

Eine Studie der RUB kommt zu dem Ergebnis, das es pro Jahr 12.000 Verdachtsfälle illegaler Polizeigewalt gibt. Der eine oder Andere von uns ist sicherlich schon mal Zeuge von Polizeigewalt geworden.

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Nochmal zur Bundeswehr. Vor wenigen Tagen wurde die kostenlose Zugfahrt (ICE und IC) für deutsche Soldaten in Uniform ab 2020 beschlossen. Das im „Bundeswehr-Journal formulierte Ziel dieser Maßnahme: Wir wollen das „Bild des Bürgers in Uniform wieder stärker zum Bestandteil unseres Alltags machen und gleichzeitig die Chance nutzen, durch die Präsenz von uniformierten Soldatinnen und Soldaten das allgemeine Sicherheitsempfinden auszubauen“4.Uniformierte Soldaten in ihrer Freizeit als selbsternannte Hilfspolizisten? Ich spare mir an dieser Stelle Vergleiche zur Vergangenheit.

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Das Erinnern an den 1. September 1939 veranlasst uns Bezug zu nehmen auf unsere unsägliche deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts. Sie ist Mahnung, der weiteren Militarisierung unserer Gesellschaft und den Kriegseinsätzen der Bundeswehr, Einhalt zu gebieten, der Rechtsentwicklung, der Spaltung der Bevölkerung in Arm und Reich, Deutsche und Nichtdeutsche, dem Nationalismus konsequent zu begegnen.

Am Schluss des Buchenwald-Schwures heißt es:

Wir führten in vielen Sprachen den gleichen, harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende“. Wir sind es den Buchenwaldhäftlingen schuldig diesen Kampf fortzuführen!

NIE WIEDER FASCHISMUS! NIE WIDER KRIEG!

1 Rudolf Augstein: Waffen statt Politik, in: Bilanz der Bundesrepublik, Magnum-Sonderheft. Köln, 1961, hier zitiert nach: Ulrich Albrecht, Die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, Köln, 1980

3 Rafael Behr: /https://akademie-der polizei.hamburg.de/profs/1952944/rafael-behr/

4 Bundewehr-Journal.de/2019, 16. März