Antifaschist:innen und Friedensfreund:innen erinnern an 80 Jahre faschistischen Überfall auf die Sowjetunion
23. Juni 2021
Demonstration, Gelsenkirchen, Jahrestag, Sowjetunion, Vernichtungskrieg
Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941 begann mit dem Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion ein beispielloser Vernichtungs- und Eroberungskrieg, der alles bis dahin dagewesene in den Schatten stellte. In ganz Deutschland gab es zu diesem Anlass Veranstaltungen von Antifaschist:innen und aus der Friedensbewegung. In Gelsenkirchen sprach Landessprecher Knut Maßmann auf einer Mahnwache, die vom Friedensforum Gelsenkirchen, der Kreisvereinigung Gelsenkirchen der VVN-BdA und der örtlichen Linkspartei getragen wurde. Wir dokumentieren die Rede. Es gilt das gesprochene Wort.
Wir erinnern an 80 Jahre Überfall auf die Sowjetunion
Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941 begann der Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion.
Es handelte sich dabei um keinen „normalen Krieg“, sondern um einen Eroberungs– und Vernichtungskrieg gegen den von den Nazis so bezeichneten „jüdisch-bolschewistischen“ Feind.
Ziel war die Vernichtung von Millionen Menschen durch direkten Mord oder durch Verhungern lassen, Millionen Menschen, die die Nazi-Barbarei in ihrer rassistischen Ideologie als Untermenschen bezeichnete.
Die VVN-BdA erinnert heute gemeinsam mit weiteren Partnern auch in Gelsenkirchen daran und ruft in Würdigung der Geschichte zu einer aktiven Friedenspolitik auf, die im Dialog mit Russland und den anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion eine neue Politik der Entspannung und Abrüstung in Europa ermöglicht.
Wie wir heute wissen gab es keine „saubere Wehrmacht“.
Die Generalität der Deutschen Wehrmacht machte mit dem Kommissarbefehl, dem Generalplan Ost sowie dem Handeln der Einsatzgruppen deutlich, dass sie das Konzept des Eroberungs- und Vernichtungskriegs von Anfang an unterstützte und den Gegner nicht als gleichwertig, sondern als Untermensch ansah.
Dieser Vernichtungswille zeigte sich in zahlreichen Mordaktionen, die Wehrmachtseinheiten und Einsatzgruppen gegen Juden, Slawen und Roma in den besetzten Gebieten verübten.
Allein dem Massaker von Babi Jar fielen im September 1941 über 30.000 Menschen zum Opfer.
Der Krieg brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte mehr als 27 Millionen Opfer aus allen Teilen der Sowjetunion. Etwa die Hälfte davon, 14 Millionen waren Zivilistinnen und Zivilisten.
Keine Kameraden
Die Wehmacht sah die gegnerischen Soldaten nicht als Kameraden an.
Im Verlauf des Krieges kamen bis zu 5,7 Millionen sowjetische Soldatinnen und Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Schätzungen zufolge starben davon bis zu 3,5 Millionen.
Das ist mehr als die Hälfte und in Zahlen die zweitgrößte Opfergruppe nach den ermordeten Jüdinnen und Juden. Ein lang verdrängtes Kapitel der deutschen Geschichte.
Wir verwahren uns gegen Formen der Geschichtsverfälschung, indem mit Verweis auf den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg – und damit auch für den Überfall auf die Sowjetunion – den Opfern selber zugewiesen wird.
Hatten doch Großbritannien und Frankreich in den Jahren zuvor der faschistischen Außenpolitik nichts entgegen gesetzt und sogar im Münchener Abkommen einer Zerstückelung der Tschechoslowakei zugestimmt.
Auch Polen hatte von der Aufteilung dieses Landes profitiert.
Gegenwärtig müssen wir erleben, dass in verschiedenen europäischen Ländern Kollaborateure des faschistischen Krieges, Freiwillige in den SS-Verbänden im Baltikum, die „Blaue Division“ in Spanien oder Bandera-Einheiten in der Ukraine als „Freiheitshelden“ in ihren jeweiligen Ländern gewürdigt werden.
In Riga (Lettland) findet jährlich ein „Tag der Ehre“ für die Angehörigen der Lettischen Waffen-SS statt.
Hierin sehen wir verhängnisvolle Formen von Geschichtsrevisionismus, denen sich die VVN-BdA auch international entgegenstellt.
Wir erinnern daran, dass es die Rote Armee war, die im Verbund der Anti-Hitler-Koalition die Hauptlast der militärischen Befreiung Europas und auch unseres Landes getragen hat.
Beginnend im Dezember 1941 mit der Schlacht vor Moskau, bei der die faschistische Illusion eines sogenannten „Blitzkrieges“ platzte, im Februar 1943 mit der Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad und dem anschließenden verlustreichen Vormarsch nach Westen.
Möglich wurde dies im gemeinsamen Handeln der Roten Armee
• mit der Zivilbevölkerung, die in Leningrad einer Hunger-Blockade von 900 Tagen standhielt, bevor es gelang, die faschistischen Aggressoren zu vertreiben, und an der Heimatfront enorme Anstrengungen in der Rüstungsproduktion unternahm,
• mit den Partisaneneinheiten, die im Rücken der Front begannen, die Versorgungswege zu blockieren und durch eigene militärische Aktionen eine große Zahl von Einsatzkräften im Hinterland banden
• und mit Unterstützung der USA, die durch Lieferung von Rüstungsgütern und weiteren Materialien die Kampffähigkeit der sowjetischen Streitkräfte unterstützte.
Wir erinnern daran, dass auch deutsche Antifaschist:innen, die in der Sowjetunion Exil gefunden hatten, aber auch deutsche Soldaten, die im Krieg auf die sowjetische Seite wechselten, ihren Anteil als Frontbeauftragte, in Einheiten der Roten Armee und in anderen Formen an der militärischen Niederschlagung des Faschismus gehabt haben.
In Erinnerung an alle diese Menschen treten wir ein
• für eine angemessene Erinnerung und Würdigung der Millionen Opfer des Vernichtungskrieges
• gegen jede Form von Geschichtsrevisionismus und Rehabilitierung von NS-Kollaborateur:innen
• für eine Friedenspolitik, die im Dialog auf Augenhöhe mit Russland und den anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion eine neue Politik der Entspannung und Abrüstung in Europa ermöglicht.
Darum stehen wir heute hier!
Vielen Dank.