Was spricht für ein Verbot der AfD?
9. September 2024
Ulrich Sander |Bitte Argumente vorlegen, werde ich in der UZ zu meiner Befürwortung eines AfD-Verbots und zur Charakterisierung des faschistischen Charakters der Höcke-Partei und medialen Anhangs aufgefordert.
Es wird übersehen, dass ich Argumente nannte, z.B.:
„Können wir wirklich das Verbot faschistischer Propaganda vernachlässigen – ausgesprochen im Potsdamer Abkommen und im Grundgesetzartikel 139 zur Entnazifizierung?“
Im Bundesgesetzblatt Nr. 1 vom 23. Mai 1949, S. 18, steht – und dies wurde bis heute nicht geändert, jedoch seinerzeit als Argument für den Beitritt der BRD zur UNO herangezogen: Artikel 139 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet:
„Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“
(In Wikipedia steht noch: In folgenden Landesverfassungen gibt es entsprechende Bestimmungen: Art. 184 BayVerf., Art. 98 BerlVerf., Art. 154 BremVerf., Art. 158 HessVerf. und Art. 140 RhPfVerf.) Hier wird Völkerrechtliches dokumentiert.
Und es ist auch vom illegalen deutschen Militarismus die Rede. In Potsdam ist auch ausdrücklich das Verbot des deutschen Generalstabs ausgesprochen worden. Und dann schau man mal die Dokumente zum AfD-Militarismus an. Es gibt sie. Ich schrieb darüber in den Marxistischen Blättern. Meine Argumente lassen die mich kritisierenden Leserbriefschreiber offenbar nicht gelten; – ich wäre gespannt, was sie zur Gültigkeit von 139 GG und Potsdam zu sagen haben. Nun zu den Argumenten:
Rassistische Position der AfD gegen den Islam
Unsere Genossin Alice Czyborra-Gingold sprach auf der Kundgebung gegen die AfD in Essen als Angehörige einer jüdischen Familie. Ihre Eltern waren Kommunisten und Widerstandskämpfer. Sie sagte:
„Mit Millionen jüdischen Familien in Europa trauern wir um unsere Angehörigen, erschossen in der Schlucht von Babij Jar, umgebracht in den Gaskammern der Vernichtungslager Auschwitz, Belcec, Majdanek und Sobibor.“
Was hat das mit der AfD zu tun, die doch den klassischen Antisemitismus nicht vertrete? Dazu dies:
„In den Quellschriften des Antisemitismus aus dem 19. Jahrhundert waren ähnliche Argumentationslinien und Schuldzuweisungen zu finden, wie sie heute Islamfeinde nutzen.“
Das stellte Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusfoschung, fest (lt. bpb Bundeszentrale für politische Bildung am 17. 03. 2014). Für seinen vergleichenden Blick auf Islamfeindlichkeit und Antisemitismus erntete er sehr viel Kritik, wir können ihn jedoch nur unterstützen, wenn wir uns die rassistische Position der AfD gegen den Islam ansehen.
‚Vogelschiss der Geschichte
Der historisch einzigartige Völkermord, das im Zweiten Weltkrieg durch das Hitlerregime entfachte Inferno über ganz Europa und in der Welt mit über 55 Millionen Toten, das alles sollte nach AfD-Führer Alexander Gauland ein ‚Vogelschiss der Geschichte‘ sein. Weiter Gauland:
‚Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen‘.“
Alice Czyborra-Gingold führte weiter aus:
„Als Nachfahren erschüttert uns, dass wir uns heute mit einer Partei auseinandersetzen müssen, die sich in der Tradition der NSDAP sieht. Wir erleben den wachsenden Einfluss der AfD. Wir erleben die AfD als parlamentarischer Arm aller neofaschistischen Organisationen, wir verfolgen ihre rassistischen, menschenfeindlichen Auslassungen im Bundestag, in den Landesparlamenten und auf Kundgebungen. Sie ermuntern geradezu Neonazis, zunehmend Gewalttaten zu begehen. Manche Parteien hoffen, den Einfluss der AfD schwächen zu können, indem sie sich die Forderungen der AfD zu eigen machen, so z.B. in der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Ein solches Vorgehen nützt nur der AfD und der weiteren Rechtsentwicklung.“
Weiter sagte Alice:
„Die gewaltige Demonstration heute ist beeindruckend. Widersetzen wir uns dem Vormarsch der AfD! ‚Macht das rechtzeitig,‘ sagten uns unsere Eltern und Großeltern aufgrund ihrer bitteren Erfahrungen – ‚macht das rechtzeitig, damit Ihr nicht das riskiert, was wir haben riskieren müssen.'“
Lebendiges Feuer hervorschlagen lassen
Weitere Belege für den Faschismus der AfD sind diese: Der faschistische Führer der AfD, Björn Höcke, sieht bereits das Feuer des Faschismus sich neu entfachen:
„Wir werden auf jeden Fall alles tun, um aus dieser Lebensglut, die sich unter vierzig Jahren kommunistischer Bevormundung erhalten hat und der auch der scharfe Wind des nachfolgenden kapitalistischen Umbaus nichts anhaben konnte, wieder ein lebendiges Feuer hervorschlagen zu lassen.“ (lt. Süddeutsche Zeitung, 27. März 2020).
Partei der Remigration
Die AfD ist die Partei der „Remigration“, wie sie auf der von Correctiv enttarnten Tagung in Potsdam konzipiert wurde. Maximilian Krah. den Björn Höcke weiterhin ausdrücklich unterstützt, wie er in einem Interview auf dem letzten Parteitag sagte, hat in seinem „Manifest“ (2023) auf S. 62 geschrieben, dass er künftig ca. 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon 12 Millionen Menschen mit deutschem Pass, aus Deutschland heraushaben will. Höcke, Förderer von Herrn Krah, nannte 20-30 % unserer Mitbürger als verzichtbar. Höcke nannte das Holocaustmahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ und forderte eine „erinnerungspolitischer Wende um 180 Grad“.
Der Militarismus schreitet mit dieser AfD voran
Im Grundgesetzartikel 139 wird auch das Verbot des Militarismus thematisiert. Das habe mit der AfD nichts zu tun? Bedenken wir: Die AfD wird von vielen sogar als „Friedenspartei“ wahrgenommen. Dies völlig zu Unrecht. Die AfD-Bundestagsfraktion hat laut Junge Freiheit?Nr. 15/23 klargestellt:
„Wir stehen fest an der Seite unserer Bundeswehr und setzen uns dafür ein, sie zu stärken.“
Man habe sich nicht einseitig auf die Seite Russlands geschlagen, sondern vertrete „deutsche Interessen“. Die gewaltigen Zahlungen für die Rüstung werden von der AfD unterstützt, die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird geplant. Der Militarismus schreitet mit dieser AfD voran. Kanonen statt Butter – das will auch die AfD.
Im Bundestag gibt es drei hohe Bundeswehroffiziere (in den Fraktionen der SPD, CDU und AfD). Bekannt ist Roderich Kiesewetter (CDU) mit seinen aggressiven Sprüchen a la ‚Deutsche Panzer gen Moskau lenken‘. In Bezug auf den Russisch-Ukrainischen Krieg vertritt Joachim Wundrak, General a.D. und AfD-Bundestagsabgeordneter, eine Position, die Kiesewetters ähnelt. Er befürwortet die Sanktionen gegen Russland.
So führte er Anfang März 2022 lt. Stern, 2.5.2022, aus?
„In einem Krieg, an dem eine Nuklearmacht wie Russland beteiligt sei, gibt es keine einfache Lösung.“
Der ehemalige Bundeswehr-General befürwortet die gegen Russland verhängten Sanktionen. Er erklärt:
„Vor dem Angriff (Russlands) sei seine Partei gegen Sanktionen gewesen. Damals habe man alles tun wollen, um zu deeskalieren. Jetzt seien Sanktionen jedoch der einzige Hebel, wobei noch nicht klar ist, wie die wirken.”
Die Bundesregierung müsse in jedem Fall darauf achten, dass sich Deutschland damit nicht selbst zu sehr schade.
In den Marxistischen Blättern Nr. 2/23 erschien ein Artikel von mir zum Thema: „Die Friedensbewegung und der Antifaschismus“. Darin wird die AfD, die eine Partei des Rassismus und des Neonazismus ist, auch als Partei des Krieges und des Militarismus gekennzeichnet. Die AfD lieferte gewissermaßen die Vorlage für die Zeitenwende-Rede von Kanzler Olaf Scholz nach dem 24. Februar 2022. Bei der AfD sind es Militärs, die in ihr offensichtlich die Partei gefunden haben, mit der sie ihre Interessen unmittelbar in die Politik einbringen können – so entnimmt man es dem Militärprogramm des „Arbeitskreises Verteidigung“ der AfD-Bundestagsfraktion. (Quelle: “Die AfD in der Tradition des deutschen Militarismus” Beitrag von Cornelia Kerth, VVN/BdA, zum Friedensratschlag 2019, Überarbeitung 9/2020).
Dem Bericht des AfD-Arbeitskreises der Offiziere ist zu entnehmen: „Jedes Mitglied … verfügt über einen militärischen oder polizeilichen Hintergrund“. Der Sprecher Rüdiger Lucassen war 34 Jahre lang Berufsoffizier mit Tätigkeiten bei der NATO und im Verteidigungsministerium, seit 2007 ist er Geschäftsführer einer Firma auf dem Gebiet „Ausbildung von militärischen und zivilen Sicherheitsorganen, Streitkräften, Grenzschutz, Polizei“. Auch einer seiner Stellvertreter, Gerold Ott, ist Berufsoffizier, der andere, Christoph Neumann, kommt vom Bundesgrenzschutz. Überhaupt: von den 91 Abgeordneten der AfD im Bundestag sind 14 ehemalige Berufs- oder Zeitsoldaten, das entspricht 15,3 Prozent der Fraktion, in der Mitgliedschaft liegt der Anteil noch knapp 2 Prozent höher. Zum ehemaligen Dreisterne-General der Luftwaffe und AfD-MdB Joachim Wundrak noch dies: Er war Kommandeur des Lufteinsatzkommandos in Kalkar und der JAPCC-Denkfabrik der Nato mit eindeutig aggressiven Konzepten.
Es hört und liest sich wie das Lamento bei der Zeitenwende das Militärprogramm der AfD. Doch es wurde bereits 2019 bekannt. Hat man die folgenden Worte sinngemäß dem Kanzler ins Redemanuskript geschrieben? AfD:
„Seit vielen Jahren können die deutschen Streitkräfte diesen hoheitlichen Schutzauftrag unseres Landes nicht mehr erfüllen. Die Bundeswehr als Ganzes nicht einsatzbereit. Die Verantwortung für diesen Verfassungsbruch tragen nicht die Soldaten der Bundeswehr, die treu ihren Dienst für das Vaterland versehen. Die Schuld verantwortet eine Politik der letzten Jahrzehnte.“
Es wird klar und deutlich formuliert:
„Der Arbeitskreis Verteidigung der AfD-Bundestagsfraktion strebt dafür eine Novellierung der grundgesetzlichen Vorgaben an.“
Diese Forderung der AfD wurde erfüllt, und zwar mit dem ins Grundgesetz eingefügten Sondervermögen. Die AfD:
„…es darf das jährlich schwankende Budgetrecht des Parlaments nicht dazu führen, dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr … zur Disposition steht.“
Zur NATO heißt es, es gebe zu ihr „auf absehbare Zeit keine gleichwertige Alternative“, Die „nuklearen Fähigkeiten der Partner“ stellten eine „wesentliche Komponente der militärischen Abschreckung dar“ und Deutschland habe „ein vitales Interesse an der Teilhabe dieser Fähigkeit, bis eine gleichwertige Alternative zur Verfügung steht.“ … Die Bundeswehr ist Teil einer Jahrhunderte alten Militärtradition. Als ‚Staatsbürger in Uniform’ haben die Männer und Frauen der Bundeswehr das Recht, ihr soldatisches Selbstverständnis wesentlich mitzubestimmen und weiterzuentwickeln.“ Darüber hinaus seien die „Ehrung und gesellschaftliche Privilegierung der Soldaten der Bundeswehr … eine ressortübergreifende Aufgabe“. Weiter: „In einer zukünftigen Struktur der Bundeswehr wird die Reserve darüber hinaus stärker mit der territorialen Verteidigung verbunden.“
Weitere Forderungen der AfD: Das Reservekorps wird im Grenzschutz eingesetzt. Es unterstützt die Polizei. Seine Stärke soll 50.000 Soldaten betragen. Die Wehrpflicht wird wieder aktiviert.
Die Bundeswehr wird im Innern eingesetzt.
Sie hat Eingang in die Ausbildungspläne an Schulen und Hochschulen.
Aufstockung der Streitkräfte auf 230.000 Soldaten.
Wörtlich: “Die deutsche Bundeswehr baut einen Generalstab auf.“
Und auch die Forderung nach einer „eigenen Militärjustiz“ darf nicht fehlen.
Weiter: „Deutschland leistet seinen Beitrag bei den Sicherheitsgarantien für die osteuropäischen Staaten.“ „Deutschlands geographische Lage und wirtschaftliches Gewicht rechtfertigen einen militärischen Führungsanspruch unter den europäischen NATO-Partnern in Europa.“ – Schließlich: „… Die Bundeswehr pflegt einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte. Die Tugenden des Soldaten sind Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit. Die Bundeswehr lebt die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte.“
Peter Gingold, Widerstandskämpfer und unermüdlicher Mahner, hinterließ uns diese Aussage in seinen Erinnerungen: »1933 wäre verhindert worden, wenn alle Gegner der Nazis ihren Streit untereinander zurückgestellt und gemeinsam gehandelt hätten. Dass dieses gemeinsame Handeln nicht zustande kam, dafür gab es für die Hitlergegner in der Generation meiner Eltern nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist. Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern!« (zitiert nach Flugblatt der Gruppe “Kinder des Widerstandes”, Oktober 2014)
Schließlich soll auch an die Mahnung Erich Kästners erinnert werden: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten.“
Ulrich Sander, seit 1959 VVN-Mitglied und jetzt auch Mitglied der „Kinder des Widerstandes“, seit 1961 Mitglied der KPD, dann der DKP und DER LINKEN.