Eigentums- und Machtverhältnisse bei Daimler, BMW und VW

1. März 2019

Von ehemals vielen deutschen Autoherstellern blieben drei, Daimler, BMW und VW übrig. Die drei sind Weltkonzerne. Sie wären nie so garoß geworden ohne die Rüstungsgewinne und die Zwangsarbeiterausbeutung im Zweiten Weltkrieg und als Komplizen der Nazis.


Nach der Liste Fortune Global 500 für 2018 ist VW der weltweit siebtgrößte Konzern überhaupt und der zweitgrößte Autokonzern nach Toyota. Daimler belegt in der Branche den 3. Platz, den 16. bei allen Konzernen. BMW hat Platz 8 bei den Autokonzernen und Platz 51 bei allen Konzernen, vor Siemens (Platz 66). Daimler, BMW und VW überlebten andere Hersteller, indem sie sich diese im Verlauf von 130 Jahren Konzentration und Zentralisation einverleibten, sofern nicht ein großer US-Monopolist ihnen zuvorkam, wie 1929 General Motors im Fall der Opel AG. (…)
Unter den 32 deutschen Konzernen, die zu den 500 größten der Welt zählen, sind zudem große Zulieferer, wie Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen. In Deutschland belegen VW, Daimler, BMW nach Umsätzen die ersten drei Plätze. All das verweist auf die überragende Bedeutung der Autoindustrie für die deutsche Volkswirtschaft. (…)
Eine Branche dieser Größenordnung genießt von vornherein besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge des Staates. Ohnehin war die Staatsnähe von Daimler, BMW und VW in Geschichte und Gegenwart groß, egal, ob es um den Einsatz des Staates für möglichst günstige Bedingungen der internationalen Expansion ging, um Rüstungsproduktion für zwei Weltkriege oder um das Wirtschaftswunder und die Remilitarisierung nach 1945.
Daimler und BMW waren stets in Privateigentum, VW bis 1960 in Staatseigentum. Die Eigentümerstruktur der drei spiegelt die generelle Zusammensetzung der herrschenden Klasse der Bundesrepublik Deutschland, das Mit- und Nebeneinander von großen Privateigentümern, privaten Managern und staatlichen Beauftragten.1 Bei BMW und VW erwarben im Lauf der Zeit sogenannte „Unternehmerdynastien“ kontrollierende Mehrheiten in den Muttergesellschaften. An VW ist der Staat, vertreten durch das Land Niedersachsen, weiterhin beteiligt und gelten besondere Mitbestimmungsrechte. Bei Daimler war über längere Zeiten die Deutsche Bank Großaktionär und überwiegt heute der Streubesitz. Die Entwicklung der Eigentums- und Kontrollverhältnisse bei Daimler, BMW, VW soll hier näher betrachtet werden.
Daimler
Die Daimler AG entstand aus der 1883 von Carl Benz gegründeten Benz & Cie. und der 1890 von Gottlieb Daimler gegründeten Daimler Motoren Gesellschaft. Daimler und Benz schieden um 1900 aus ihren Firmen aus. Die beiden Firmen vermarkteten ihre Patente und Produkte von Anfang an international, tätigten Zukäufe, gründeten Tochtergesellschaften. Neben PKW stellten sie Nutzfahrzeuge, Boots- und Flugmotoren her. Im ersten Weltkrieg rückte die Rüstungsproduktion ins Zentrum. Daimler baute den ersten deutschen Panzer und gehörte zu den größten Flugmotorenherstellern des Reichs. 1926 fusionierten die beiden Betriebe unter Federführung der Deutschen Bank zur Daimler-Benz AG. Danach wurden die Aufsichtsratsvorsitzenden, die das Management ein- oder absetzen können, von der Deutschen Bank ausgewählt.
1932 war die Daimler-Benz AG nach der Adam Opel AG und der Auto Union2 drittgrößter Automobilproduzent in Deutschland. Emil Georg von Stauß als Aufsichtsratsvorsitzender 1926-1942 unterstützte den Aufstieg der Nazis. Während der Weltwirtschaftskrise kam es zu Massenentlassungen. Hitlers Aufrüstungsprogramm und seine Pläne der Massenmotorisierung kurbelten dann die Rüstungsproduktion erneut an. Der Konzernumsatz wuchs von 65 Millionen Reichsmark im Jahr 1932 auf 942 Millionen 1943. Im Jahr 1941 machten Wehrmachtsaufträge 76 Prozent des Umsatzes aus. Die Belegschaft wuchs von 10000 Ende 1932 auf über 74000 im Jahr 1944. Während des zweiten Weltkriegs bestand die Belegschaft bis zur Hälfte aus Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. (…)
Nach 1945 feierte der Konzern wieder Erfolge in der Autoproduktion, vor allem mit der Marke Mercedes. Er baute ein internationales Vertriebsnetz auf, errichtete Werke in Argentinien, Brasilien, Indien, Südafrika, Iran und den USA. Dass die Filiale in Argentinien mit Wissen Ludwig Erhards Nazi-Gelder wusch und Adolf Eichmann, wie zahlreiche andere untergetauchte Nazis, beschäftigte, enthüllte 2004 die Journalistin Gaby Weber.3 In der Bundesrepublik übernahm Daimler-Benz Hanomag und die in Ingolstadt neu angesiedelte Auto Union (inklusive der in den Westen übergesiedelten Fachkräfte). 1958 scheiterte der Versuch, BMW zu übernehmen. In den 1960er Jahren stellten die Milliardäre Herbert Quandt und Friedrich Flick gemeinsam mit der Deutschen Bank das Dreigestirn der Daimler-Großaktionäre, bis Quandt und Flick ab 1974 ihre Anteile an Kuwait und an die Deutsche Bank verkauften.4 (…)

BMW
Die BMW AG entstand während des ersten Weltkriegs aus den Vorläufern Flugmaschinenwerke Gustav Otto und Rapp Motorenwerke. Als Rüstungslieferant stieg BMW bis Kriegsende zu einem der größten deutschen Flugmotorenwerke mit 3500 Mitarbeitern auf. Nach dem Krieg richtete der BMW-Großaktionär und zeitweilige Aufsichtsratsvorsitzende Camillo Castiglioni5 die Firma auf den Bau von Motorrädern aus. Mit der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach 1928 wurde BMW Autobauer. Castiglioni, der sich verspekuliert hatte, musste seine BMW-Anteile 1929 an Großbanken abgeben, darunter an die Deutsche Bank, die schon 1925 Emil Georg von Stauß zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht hatte. Nach 1933 wurde die Autosparte wieder zum Nebenzweck. Hitlers Kriegspläne verschafften der Flugmotorenindustrie einen Aufschwung, an dem auch BMW partizipierte. Durch Übernahmen und neue Werke wuchs der Flugmotorenbau auf 90 Prozent des Gesamtumsatzes. Der Umsatz stieg von 32,5 Millionen Reichsmark 1933 auf 750 Millionen 1944. Über 50 Prozent der 56000 Beschäftigten waren Zwangsarbeiter. Auch KZ-Häftlinge, zum Teil untergebracht in einem Außenlager des KZ Dachau, mussten für BMW schuften.6
1945 war das Stammwerk in München zerstört. Der Fahrzeugbau Eisenach lag in der sowjetisch besetzten Zone. In München wurden zunächst Motorräder, Kochtöpfe und Bremsen produziert, später auch Autos, aber mit Verlust. Als der Motorradabsatz nachließ, geriet BMW in eine Finanzkrise. Die Deutsche Bank wollte BMW an Daimler angliedern. Das blockierten auf der Hauptversammlung 1959 aktivistische Kleinaktionärsvertreter. 1960 trat der Unternehmer Herbert Quandt als BMW-Sanierer auf den Plan. Er und sein Bruder Harald hatten 1954 ein Konglomerat von Firmenbeteiligungen geerbt, die ihr Vater hinterließ. Die Brüder waren bereits Großaktionäre bei Daimler, bevor Herbert Quandt mit 60 Prozent die Kontrolle bei BMW erwarb.7
Quandt
Der Erblasser Günther Quandt war als Großaktionär des Batterie- und Akkumulatoren-Konzerns AFA und anderer Betriebe aufgestiegen. In Hannover-Stöcken und anderen Werken setzte auch er ab 1943 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein. Er hatte Hitlers Aufstieg unterstützt, war 1937 Wehrwirtschaftsführer geworden und pflegte gute Kontakte zum NS-Regime. Seine geschiedene Frau Magda heiratete Goebbels. Seine Verstrickung mit dem Nazi-Regime war für Quandt nach 1945 kein Hindernis, seine Werke weiterzuführen. Die westlichen Siegermächte gaben der Wiederaufnahme der Produktion Vorrang vor einer Säuberung der Wirtschaftselite.8
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Die Eigentümerstruktur des Konzerns ist laut BMW-Homepage wie folgt:
Streubesitz 53,2 Prozent
AQTON SE, Bad Homburg v. d. Höhe 9 Prozent
AQTON GmbH & Co. KG für Automobilwerte Bad Homburg v. d. Höhe 16,6 Prozent
Susanne Klatten Beteiligungs- GmbH, Bad Homburg v. d. Höhe 20,7 Prozent
Susanne Klatten 0,2 Prozent
Stefan Quandt 0,2 Prozent
Danach verfügen die Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten als Kinder Herberts und Enkel Günther Quandts mit ihren Beteiligungsgesellschaften über 46,8 Prozent der Anteile. Der Rest ist Streubesitz. Auf der Hauptversammlung 2018 waren 79,84 des stimmberechtigten Grundkapitals vertreten. 40 Prozent der Anteile hätten für die Mehrheit gereicht. Die Abstimmungen folgten den Empfehlungen der Konzernspitze mit Ergebnissen zwischen mindestens 78,69 Prozent beim Tagesordnungspunkt Vergütung der Vorstandsmitglieder und höchstens 99,96 Prozent.
Stefan Quandt und Susanne Klatten nahmen 2018 Platz 1 auf der Liste der 1000 reichsten Deutschen ein. Sie halten Beteiligungen und bekleiden Aufsichtsratssitze in zahlreichen Firmen.9 Daneben betreiben sie mehrere Stiftungen, wie etwa die Johanna Quandt Stiftung, deren Zweck es ist, „das Verständnis für die marktwirtschaftliche Ordnung und die Bedeutung des privaten Unternehmertums als Träger der wirtschaftlichen Entwicklung in der Öffentlichkeit und den Medien zu fördern.“10 Reiche senken mit Stiftungen ihre Steuern. Über den Einsatz der Mittel, die sie dem Staat damit vorenthalten, können sie so selbst bestimmen.

VW
Anlässlich der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin 1934 trat Hitler für die Entwicklung eines für die Massen erschwinglichen, einfachen PKW ein. Den Auftrag zum Bau eines Prototyps vergab der Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie an das Konstruktionsbüro Ferdinand Porsche, Stuttgart. Da die Autoindustrie kein Interesse hatte, ein 1000-Reichsmark-Auto zu subventionieren, wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF), Ersatzorganisation der von den Nazis zerschlagenen Gewerkschaften, beauftragt. Sie verwendete das 1933 beschlagnahmte Gewerkschaftsvermögen für den Bau einer großen Automobilfabrik auf ländlichem Gelände in Niedersachsen. Dort sollte der KdF-Wagen (benannt nach der Nazi-Freizeitorganisation Kraft durch Freude) produziert werden. 1938 wurde Ferdinand Porsche Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Volkswagenwerk GmbH.
Zwar wurde ein modernes Autowerk nach dem Vorbild von Ford errichtet, aber aus Hitlers angekündigter Massenmotorisierung wurde nichts. Devisen und Benzin reichten nur für die Motorisierung der Armee. VW produzierte vorerst spezielle Fahrzeuge für die Wehrmacht, wie „Kübelwagen“ und „Schwimmwagen“, daneben Tellerminen, Panzerfäuste und andere Waffen. Die Rüstungsproduktion leitete ab 1941 Porsches Schwiegersohn Anton Piech. Porsche, seit 1934 NSDAP-Mitglied, wurde u.a. Wehrwirtschaftsführer und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1940-1945 wurden 20000 Menschen zur Zwangsarbeit eingesetzt, darunter Häftlinge, die in Außenlagern des KZ Neuengamme interniert wurden. Hunderte überlebten den Einsatz nicht.11
Das Konstruktionsbüro in Stuttgart im Besitz der Familien Porsche und Piech bekam lukrative Aufträge und wurde faktisch zur Konstruktionsabteilung von VW. 1943 übernahm das VW-Werk unter Porsche im besetzten Frankreich die „unternehmerische Verantwortung“ für Renault. Für die Demontage von Maschinen und die Verschleppung von Renault-Arbeitern zur Zwangsarbeit saßen Ferdinand Porsche und Anton Piech nach Kriegsende 22 Monate in französischen Gefängnissen. Ein Entnazifizierungsverfahren in Baden Württemberg wurde dagegen 1949 eingestellt.
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Mitbestimmungsklauseln des Betriebsrats und Niedersachsens, die trotz neoliberaler „Reform“ in der abgeschliffenen Fassung des VW-Gesetzes noch erhalten werden konnten, schränken die Alleinherrschaft ein wenig ein. Im DAX werden seit 2009 die nicht stimmberechtigten VW-Vorzugsaktien gehandelt. Stamm- und Vorzugsaktien bilden zusammen das Grundkapital, an dem die Porsche Holding SE 30,8 Prozent, Katar 14,6 und Niedersachsen 11,8 Prozent hält. Die Differenzierung zwischen Stämmen und Vorzügen dient dem Zweck, mit einem Minimum an Kapital ein Maximum an Kontrolle auszuüben und garantiert zugleich die Machtverhältnisse. Auf der aktuellen Liste der 1000 reichsten Deutschen hält Wolfgang Porsche den 6. Platz. Ferdinand Piech hält Platz 10. (…) https://www.neues-deutschland.de/artikel/1113385.urteil-zu-gemeinnuetzigkeit-effektiver-maulkorb.html