Was wollten die Männer des 20. Juli? – Zum Jahrestag des Attentats auf Hitler

19. Juli 2019

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Von Kurt Nelhiebel

Der 75. Jahrestag des 20. Juli steht bevor. Kurt Nelhiebel alias Conrad Taler schrieb uns: „Ich habe zum 15. Jahrestag in der ‚Tat‘ (antifaschistische Wochenzeitung, der VVN nahestehend) vom 18. Juli 1959 einen ganzseitigen Artikel unter meinem damaligen Pseudonym Peter Nau geschrieben. Er beleuchtet alle Hintergründe und Zusammenhänge und bietet allen Antifaschisten eine Orientierungshilfe.“ Dem kann nur zugestimmt werden. 

Friedrich Veitl, der Chefredakteur der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“, schrieb 55 Jahre später an Kurt Nelhiebel: „Der Querverweis auf den kommunistischen und sozialdemokratischen Widerstand dürfte in der Zeit des Kalten Krieges viele Leute verunsichert, verärgert oder beunruhigt haben.“

Sehr bemerkenswert und für heute noch besonders gültig ist der Schlussabsatz aus dem Artikel von 1959: „Trotz aller Vorbehalte im Hinblick auf den 20. Juli wehren sich die überlebenden Widerstandskämpfer entschieden dagegen, die Verdienste der positiven Kräfte des 20. Juli wie überhaupt die Widerstandsbewegung herabzuwürdigen. Ihr Ansehen und ihre Ehre gilt es gegen alle zu verteidigen, die durch die politische Entwicklung in der Bundesrepublik und das Wiedererstarken militaristischer Kräfte dazu ermuntert werden, sie als ‚Landesverräter‘ zu verdächtigen und ihre edlen Motive in Frage zu stellen. Was die Versuche des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Heusinger, angeht, sich vor die Männer des 20. Juli zu stellen, so hätte er besser daran getan, sich 1944 zu ihnen zu bekennen!“

Der Wortlaut des Artikels aus der „Tat“:

Entnommen der antifaschistischen Wochenzeitung DIE TAT vom 18. Juli 1959

Was wollten die Männer des 20. Juli?

Zum 15. Jahrestag des Attentats auf Hitler

Von Peter Nau

„Die Geschichte der Bestrebungen und Ereignisse, die sich am 20. Juli des Jahres 1944 auf die unglücklichste Weise zusammenballten und entluden, ist eine weit verzweigte . . .“

Dieser Satz des katholischen Schriftstellers Reinhold Schneider aus seinem 1947 erschienenen „Gedenkwort zum 20. Juli“ lässt erkennen, dass es nicht leicht ist, alle Ursachen und Zusammenhänge der Geschehnisse um den 20. Juli zu erforschen und zu bewerten. Ein Pauschalurteil kann vollends nicht gefällt werden. Reinhold Schneider sagt über die Beteiligten an der Verschwörung: „So verschieden die Männer waren, so verschieden waren wohl ihre Hoffnungen, ihre Ziele . . . Viele von ihnen hatten geholfen, den Mächtigen zu stärken, ihn mit der fragwürdigen Gloriole seiner Siege zu schmücken.“

An den Ausgangspunkt der Betrachtungen gehört die Frage, welches äußere Bild die Lage in jenem Sommer des Jahres 1944 darbot. Etwa fünf Jahre nach Kriegsbeginn lagen die meisten deutschen Städte in Trümmern. Täglich starben Tausende im Hagel der Bomben, erstickten in Luftschutzbunkern oder verbrannten im Phosphorregen. Tausende erlagen den entsetzlichen Lebensbedingungen in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern oder erlitten einen qualvollen Tod in den Gaskammern oder Folterhöhlen des SS und Gestapo. Deutschland schien ein einziger Friedhof zu werden. Die Lage an den Fronten kündete vom nahen Ende des nationalsozialistischen Schreckensregimentes. Im Osten war die Heeresgruppe Mitte unter den Schlägen der vorrückenden sowjetischen Einheiten zusammengebrochen; im Westen hatten die Alliierten – spät, aber doch – die zweite Front eröffnet und mit ihren Landoperationen begonnen.

Das von den Widerstandskämpfern lang vorhergesagte Ende zeichnete sich ab. Nur wer mit Blindheit geschlagen war, konnte noch auf einen Erfolg Hitlerdeutschlands hoffen. In dieser Situation hielten es auch manche Generale für angebracht, ihre seit Stalingrad bestehenden Bedenken gegen die „Kriegskunst“ Hitlers offener auszusprechen, als sie es vorher gewagt hätten. Bei den Differenzen zwischen ihnen und dem „obersten Feldherrn“ ging es jedoch weniger darum, die einzig mögliche Konsequenz aus der entstandenen Lage zu ziehen, nämlich den Krieg zu beenden, als vielmehr darum, die Leitung der militärischen Operationen zu verbessern, um entweder die Kriegsziele zu erreichen oder zumindest die Situation zu stabilisieren.

Das Attentat war überfällig

In seiner „Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ schreibt General Tippelskirch zu Beginn des Kapitels über den 20. Juli:

„Seit der Katastrophe von Stalingrad hat sich die innere Auflehnung gegen die Grundsätze, nach denen Hitler die Operationen führte, in denjenigen Kreisen des Offizierskorps des Heeres, die einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge besaßen, nicht mehr gelegt.“ Über den Zeitpunkt des Attentats vom 20.Juli schrieb Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, der seinerzeit in Verbindung mit Widerstandsgruppen stand, am 20. Juli 1954 in der Hamburger Zeitung „Die Welt“: „Im Anblick der ungeheuren Blutopfer an den Fronten und in den Städten in der Heimat, in den Konzentrationslagern und ihren Gasöfen war die Tat, die Tat um jeden Preis, längst überfällig.“

Gerstenmaier sprach damit aus, was viele Widerstandskämpfer angesichts der späten Aktion damals empfanden.

Zum Verständnis für die Schwierigkeiten, denen sich die unmittelbar am Attentat Beteiligten, wie die gesamte Widerstandsbewegung mit ihren vielen kleinen Gruppen gegenübersahen, muss darauf hingewiesen werden, dass der Terrors des Naziregimes gegen Andersdenkende zu jener Zeit nahezu unvorstellbare Ausmaße angenommen hatte. Nach Angaben des damaligen Reichsjustizministers Thierack, die allerdings kaum als vollständig angesehen werden können, wurden im Jahr 1944 binnen drei Monaten nicht weniger als 176 670 Personen aus politischen Gründen verhaftet. Dieser Terror erschwerte naturgemäß alle Widerstandshandlungen.

Mangelnde Verbindung zum Volk

Die Existenz ungezählter Widerstandsgruppen vornehmlich in Arbeiterkreisen aber auch in Kreisen des Bürgertums, der Intellektuellen und des kirchlichen Lebens sowie die seit Beginn der Terrorherrschaft nie abgerissenen Widerstandshandlungen dieser Gruppen machen jedoch deutlich, dass der entschlossene Wille ungebrochener Antifaschisten auch dem größten Druck des menschenfeindlichen Regimes zu trotzen verstand. In dieser Beziehung sind die objektiven Schwierigkeiten, denen sich die Verschwörer des 20.Juli gegenübersahen, tatsächlich nur als relativ zu bewerten.

Diese Schwierigkeiten hätten zudem noch herabgemindert werden können, wenn die opponierenden Offiziere und Generale erkannt hätten, dass ein erfolgreicher Schlag gegen das Tyrannenregime nur möglich war in enger Verbindung mit den Widerstandsgruppen draußen im Land und auf diese Weise mit wichtigen Schichten des Volkes. Leider gab es bei den Männern des 20. Juli Kräfte, die eine solche Verbindung ablehnten. Sie taten es nicht aus Gründen der Sicherheit, sondern weil sie befürchteten, dass eine Einbeziehung der aus der Arbeiterbewegung stammenden Widerstandsgruppen der Aktion eine Richtung geben könnte, die ihren politischen und militärischen sowie wirtschaftlichen Vorstellungen zuwiderlief. Andererseits bestanden – man möchte sagen, natürlicherweise – bei vielen Widerstandsgruppen in Betrieben und Wohnblocks Ressentiments gegenüber der Generalität, die über viele Jahre hinweg treue Anhänger Hitlers in ihren Reihen vereinte und die militärischen Abenteuer des Diktators überhaupt erst hatten möglich werden lassen.

. . .selbst mit dem Teufel“

Trotz dieser Vorbehalte gab es aber sogar vereinzelte Verbindungen zwischen Angehörigen des Kreises 20.Juli und kommunistischen Widerstandsgruppen. Rudolf Pechel berichtete in seinem Buch „Deutscher Widerstand“ (1947) über die Entschlossenheit kommunistischer Widerstandskämpfer, auf Grund der damaligen Lage auch mit der Generalität gegen Hitler vorzugehen. Am 29. Juni 1944 führte Pechels Frau ein Gespräch mit dem Kommunisten Franz Jacob, der sich wie folgt äußerte: „Jetzt ist es soweit, dass wir selbst mit dem Teufel, sprich der Generalität, einen Pakt schließen und gemeinsam einen Staatsstreich machen.“ Dieser Pakt kam aber nicht zustande, weil auf der Gegenseite die Bereitschaft dazu fehlte.

Es war indes nicht nur die fehlende Verbindung zu breiteren Volkskreisen, die einen Plan zur Wendung der Geschicke von vornherein wenig aussichtsreich erscheinen ließ. Die an der Vorbereitung des Attentats beteiligten Offiziere und Generale, die im Dienst Hitlers bei militärischen Angriffsoperationen ein nicht geringes Maß an Fähigkeiten gezeigt hatten, legten bei der Planung des Anschlages auf Hitler und den danach vorgesehenen Aktionen einen ausgesprochenen Dilettantismus an den Tag. Sie konzentrierten alles auf einen Mann, den Obersten Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Bei ihm liefen in Berlin alle Fäden zusammen. Er hätte während des Attentats auf Hitler in Berlin zur Verfügung stehen müssen. Stattdessen wurde er mit dem Flugzeug nach Rastenburg geschickt, um in der „Wolfsschanze“, Hitlers Hauptquartier, selbst das Attentat durchzuführen. Stauffenberg, der einen Arm und drei Finger der rechten Hand verloren hatte und zudem auf einem Auge erblindet war, hätte sich im Notfall nicht einmal mit einer Pistole verteidigen können.

Stauffenbergs Rolle

Verschiedentlich wird geäußert, niemand anders als Stauffenberg hätte Zugang zu Hitlers Besprechungsraum gefunden, wo die Bombe mit dem Zeitzünder niedergelegt werden sollte. Angesichts der entscheidenden Wichtigkeit des Anschlages auf Hitler kann dieses Argument nicht überzeugen. Es ist beschämend für die Mitverschwörer, dass sie dem schwergeprüften und seiner Kampffähigkeit beraubten Stauffenberg die Doppelrolle aufbürdeten, das Attentat auszuführen und sofort nach Berlin zurückzukehren, um dort das Kommando der Verschwörung zu übernehmen.

Dass der persönlich tapfere und entschlossene Stauffenberg die Einsatzbereitschaft und den Mut besaß, diese Doppelrolle zu übernehmen, gereicht ihm zur hohen Ehre. In seinem Buch „Der 20. Juli“ (Wedding-Verlag. Berlin 1946) stellt auch Dr. Franz Reuter, der an den Plänen zur Beseitigung Hitlers beteiligt war und sich am Tage des Attentats im Hauptquartier aufhielt, die Frage, ob Stauffenbergs Einsatz zweckmäßig war. Er schreibt: „Fand sich kein besser gestellter Attentäter, konnten und mussten überhaupt die äußeren Umstände nicht so gestaltet werden, dass der Erfolg auf keinen Fall ausblieb? Die Frage stellen, heißt sie bejahen.“

Stauffenbergs Rolle

Stauffenberg kehrte in dem Glauben nach Berlin zurück, das Attentat sei geglückt. Die Meldung über den Fehlschlag hatte dort inzwischen die Unsicherheit im inneren Kreis der Verschwörer verstärkt. Über die unter ihnen seit langem herrschende Stimmung bekannte der zu ihrem Kreis gehörende General Fromm bereits am 20. 2. 1943 in seinem Tagebuch: „Der eine will handeln, wenn er Befehl erhält, der andere befehlen, wenn gehandelt ist . . .“ Da es der Chef des Nachrichtenwesens, der in die Attentatspläne eingeweihte General Fellgiebel nicht vermochte, die „Wolfsschanze“ wie vorgesehen von der Verbindung zur Außenwelt abzuschneiden, konnte die Kamarilla um Hitler unverzüglich Gegenmaßnahmen einleiten.

Kritisch äußert sich auch Dr. Franz Reuter in seinem Buch über das Verhalten der Verschwörer: „Auch nach dem Misslingen des Attentates brauchte nicht alles verloren zu sein, wenn die weitere Durchführung besser vorbereitet, oder richtiger gesagt – die militärischen Vorbereitungen waren jedenfalls sehr umfangreich – nicht zu einseitig auf den Tod Hitlers abgestellt gewesen und nach dem Misserfolg ein anderer hoher Offizier vor die Front gesprungen wäre. Dass Letzteres nicht geschah, wird immer unbegreiflich bleiben.“ Über den entscheidenden Punkt des „Fehlschlages“ schreibt Reuter: „Im tiefsten Grund ist der 20. Juli misslungen, weil die Generale sich viel zu spät und zu wenig entschieden und umfangreich hinter die Zivilisten gestellt haben. Immer wieder haben sie Ausreden aus der jeweiligen Situation gehabt.“

Tatsächlich hatten die Verschwörer Vertrauensleute und Anhänger in vielen ausschlaggebenden Kommandostellen der Wehrmacht, in der Spionage und Abwehr, ja sogar in Dienststellen der SS und Gestapo. Sie verfügten somit über eine große Anzahl von Waffen, aber vor dem offenen Kampf schreckten sie zurück, wobei – wie bereits ausgeführt – der entscheidende Mangel das Fehlen einer engen Beziehung zu den im Volk verwurzelten Widerstandsgruppen und zum Volk überhaupt war.

Die Pläne der Verschwörer

Bleibt die Frage, welche Ziele die Verschwörer anstrebten. Günther Weisenborn schreibt in dem Buch „Der lautlose Aufstand“, dass über die Frage der Berechtigung des von den Verschwörern eingeschlagenen Weges, einen Staatsstreich von oben zu versuchen, statt von unten die Opposition der Massen zu aktivieren, in Widerstandskreisen viel diskutiert worden ist. Es liegt eine Reihe von Äußerungen vor, wonach es verschiedenen Teilnehmern der Verschwörung nicht darum ging, mit dem Kriegswahnsinn Schluss zu machen, sondern ein Arrangement mit den westlichen Alliierten zu suchen, um dort Kräfte für eine Niederringung der Sowjetunion zu mobilisieren. „Das Hauptmotiv für ihre Aktionen“, so schreibt Allen W. Dulles in seinem Buch „Verschwörung in Deutschland“ auf Seite 170, „ist der glühende Wunsch, Zentraleuropa davor zu bewahren, ideologisch und faktisch unter russische Herrschaft zu kommen.“ Weiter heißt es: „Anfang Mai 1944 bekam Gisevius aus Berlin einen Plan…Der Hauptinhalt des Planes war, dass die antinazistischen Generale den amerikanischen und britischen Truppen den Weg für die Besetzung Deutschlands frei machen und gleichzeitig die Russen an der Ostfront festhalten würden.“ Allen W. Dulles war Direktor des amerikanischen Geheimdienstes CIA; Hans Bernd Gisevius war Verbindungsmann der Widerstandsgruppe um Generaloberst Beck zum US-Geheimdienst.

Aus dem von Carl Friedrich Goerdeler, der nach der Beseitigung Hitlers das Amt des Reichskanzlers übernehmen sollte, für den Fall des Gelingens des Attentates für die Presse bestimmten „Aufruf an das deutsche Volk“ geht hervor, dass möglicherweise nicht einmal an einen sofortigen Rückzug der deutschen Truppen aus den völlig zu Unrecht überfallenen und besetzten Ländern gedacht war. Auch die Frage, ob die generelle Einstellung des Krieges geplant war, bleibt in dem Aufruf offen. Es heißt nämlich darin: „Unsere erste Aufgabe wird sein, den Krieg von seinen Entartungen zu reinigen.“ Es sollte dafür gesorgt werden, „dass, soweit zur Zeit noch fremde Gebiete besetzt gehalten werden müssen, den Betroffenen die volle Selbstregierung wieder ermöglicht und die Anwesenheit deutscher Truppen so wenig lastend wie möglich gemacht wird.“

Einseitige Orientierung

Der schon genannte Franz Reuter schreibt zu den außenpolitischen Absichten der Verschwörer des 20. Juli: „Was die eminent wichtige Frage der Außenpolitik angeht, so hoffte man ganz überwiegend, zunächst mit den angelsächsischen Mächten zu Rande zu kommen. Man wollte aber auch gleichzeitig den Krieg im Osten beenden, nur dass man mehr, wenn auch keineswegs ausschließlich, Sympathie und Anknüpfungsmöglichkeiten nach dem Westen hatte… Der als Außenminister in Aussicht genommene ehemalige römische Botschafter von Hassel, Schwiegersohn des Großadmirals Tirpitz, stand mit seinem Gefühl dem Westen nahe.“ Der nachfolgende Satz Reuters lässt darauf schließen, dass verschiedene Mitverschwörer an ein Konzept dachten, das sich in außenpolitischer Hinsicht von dem der NS-Regierung nur graduell unterschied. Er schreibt: „Ich selbst habe frühzeitig die Auffassung vertreten, dass der Anstoß für eine kühne oder ungewöhnliche Außenpolitik von jemand anderem (als von Hassel) hätte ausgehen müssen.“

Was wollten die Generale?

Eine Bestätigung für die im Kreis der Verschwörer gehegte Absicht, mit dem Westen gegen den Osten zu paktieren und zu kämpfen liegt in folgender Mitteilung Reuters: „Ich selbst habe frühzeitig den Standpunkt vertreten, dass mit einer Entzweiung zwischen den angelsächsischen Mächten und Russland vor der siegreichen Beendigung des Krieges nie zu rechnen sei…“ Danach haben solche Spekulationen bei verschiedenen Angehörigen des Kreises 20. Juli zweifellos eine Rolle gespielt und sie in dem Gedanken bestärkt, das Kriegsgeschick mit Hilfe westlicher Panzer und Kanonen in einer Weise zu wenden, die möglicherweise den Ambitionen der Generale, nicht aber den Interessen des von den Folgen der verflossenen Kriegsjahre schwer getroffenen Volkes entsprochen hätte.

Dass es Absichten dieser Art gab, spricht indessen nicht gegen jene Verschwörer, die sich ehrlich und mit höchstem persönlichen Mut für die Interessen des Volkes einsetzten und Tapferkeit bis zum Tod bewiesen. Unter ihnen befanden sich Männer, die die Volkskräfte bei der Beseitigung des Naziregimes nicht ausschalten wollten und die – wie Graf Stauffenberg und Adam Trott – Verbindung zu aktiven Widerstandsgruppen hatten und für ein Bündnis mit ihnen eintraten

Das Verdienst anderer Widerstandskreise

Nach allem was über den 20. Juli bekannt geworden ist, muss gesagt werden, dass – unter Zugrundelegung der Volksinteressen und der Ideale der Widerstandsbewegung – die an jenem Tag wirksam bzw. nicht wirksam gewordenen Kräfte positive und negative Elemente vereinten. Die Vorgänge um den 20. Juli sind als Widerstandshandlung gegen ein barbarisches Regime in die Geschichte eingegangen und verdienen eine entsprechende Würdigung.

Verfehlt wäre es jedoch, diese Tat als die einzig erwähnenswerte Widerstandshandlung zu betrachten. Schon lange bevor der Kreis um den 20. Juli die Notwendigkeit von Abwehrmaßnahmen erkannt hatte, waren Widerstandskämpfer für die Beseitigung des Naziregimes eingetreten. Um der geschichtlichen Wahrheit willen muss gesagt werden, dass es sich hier vornehmlich um Kommunisten und Sozialdemokraten handelte. Wegen ihres unerschrockenen Kampfes wurden ungezählte auf barbarische Weise ermordet. Die Tragik ihres Opfers liegt darin, dass sie nicht rechtzeitig zum gemeinsamen Handeln zusammenfanden.

Trotz aller Vorbehalte im Hinblick auf den 20. Juli wehren sich die überlebenden Widerstandskämpfer entschieden dagegen, die Verdienste der positiven Kräfte des 20. Juli wie überhaupt die Widerstandsbewegung herabzuwürdigen. Ihr Ansehen und ihre Ehre gilt es gegen alle zu verteidigen, die durch die politische Entwicklung in der Bundesrepublik und das Wiedererstarken militaristischer Kräfte dazu ermuntert werden, sie als „Landesverräter“ zu verdächtigen und ihre edlen Motive in Frage zu stellen. Was die Versuche des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Heusinger, angeht, sich vor die Männer des 20. Juli zu stellen, so hätte er besser daran getan, sich 1944 zu ihnen zu bekennen!