AfD und andere rechte Netzwerke in Bundeswehr und Polizei

17. Dezember 2019

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Referat von Ulrich Sander beim Workshop auf dem Friedensratschlag in Kassel 8. 12. 19

Beim jüngsten Friedensratschlag in Kassel berieten 500 Aktivisten der Friedensbewegung über eine Vielzahl von Themen und fassten wichtige Aussagen in einer Weihnachtsanzeige zusammen, die – unterzeichnet von zahlreichen Gruppen und Persönlichkeiten – veröffentlicht wird.

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, hielt ein Referat über die Terrorismusnetzwerke in Deutschland, „die unterirdischen (Prepper, Hannibal) wie die oberirdischen (Bundeswehr als solche, Uniter, AfD-Militärpolitiker), schließlich die halb-und-halb-unterirdischen (KSK).“ Mit den entsprechenden brutal offenen Erklärungen von Annegret Kamp-Karrenbauer und ihren Generälen (Clausewitz-Gesellschaft) und den AfD-Offizieren seien wir ja erst neuerdings konfrontiert, so Sander. Dennoch wird es erforderlich sein, schon bald die in den antimilitaristischen Workshops – eine weiterer fand mit Conny Kerth, VVN-BdA-Bundesvorsitzende statt – erarbeiteten Schlussfolgerungen anzuwenden. Sie sollten in den Forderungskanon der Friedensbewegung und der Gewerkschaften aufgenommen werden, „bis in die Weihnachtsanzeigen hinein“, so Sander. „Sonst kann es passieren, dass uns bald bei rechten Terroristenattacken bis hin zum Bürgerkrieg gegen Gewerkschaften und allen Gutmenschen-Bewegungen so manches um die Ohren fliegt, was die Linken, die Antifaschisten und Friedensfreunde noch gar nicht auf dem Schirm haben.“

Der Wortlaut des Referats von Ulrich Sander steht hier:
»Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. (…) Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.« – Erich Kästner 1958 in Hamburg anlässlich des 25. Jahrestages der Bücherverbrennung
Diese Feststellung von Erich Kästner ist in letzter Zeit öfter zitiert worden – völlig zu Recht. Und zwar nicht nur wegen der wachsenden Wählerzahlen der AfD, sondern auch wegen der wachsenden Zahl von rechten Netzwerken bis hin zu rechten Terrorzellen – vor allem in Bundeswehr und Polizei. Aber offenbar auch in der Feuerwehr und in Soldatenbünden.
Ich sehe im Militär insgesamt ein rechtes Netzwerk. Das begann schon im Oktober 1950. Im Eifelkloster Himmerod formulierten damals ehemalige Generäle Hitlers im Auftrag der Bundesregierung eine geheime Denkschrift zur Aufstellung und Ausrüstung einer neuen Wehrmacht für die BRD. Die Denkschrift enthielt die Bedingungen: „Aufhebung der Verordnungen über die Entmilitarisierung“ und „Rehabilitierung“ des deutschen Wehrmachtsoldaten und der Waffen-SS. Diese Vorbedingen werden von der Bundesregierung akzeptiert. Nicht ein einziger Wehrmachtssoldat, der zur Bundeswehr kam, wurde wegen seiner Kriegsverbrechen verurteilt. Die Bundeswehr war und blieb ein Hort der Nazis und Neonazis. Gründungsgeneräle waren Heusinger und Speidel, beteiligt an Kriegsverbrechen der Wehrmacht. Noch heute gibt es Kasernen, deren Namen von der Wehrmacht hergeleitet ist. Der Bundeswehrverband hat einen Bildungswerk mit Namen „Karl-Theodor Molinari Stiftung“. Molinari war in Belgien und Frankreich wegen Kriegsverbrechen verurteilt.

„Geh zur Bundeswehr“ heißt es in einem Neonazi-Aufruf: „ Junge „Kameraden und Kameradinnen“ in der Berufswahl sollten „eine Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei in Erwägung ziehen, mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen.“ Denn: „Widerstand, der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muß professionell geplant sein.“ (1) Der Aufruf war erfolgreich. Zahlreiche Nazischläger und Gewalttäter gehörten der Bundeswehr an oder sind noch Mitglieder des Reservistenverbandes und Bundeswehrverbandes.
Im September 1991 geriet ich in ein „Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft“. Dieses Netzwerk wurde veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundeswehr. Es wurde eine „neue sicherheitspolitische Rolle Deutschlands“ eingefordert. Ich habe an dieser internen Tagung teilgenommen und später das Protokoll (2) eingesehen. Alle Forderungen dieser Tagung, wie ich sie notierte, wurden erfüllt, eine Ausnahme: Punkt 13 der Forderungen von Fürstenfeldbruck war: Einführung einer allgemeinen militärischen und sozialen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer. Dies ist der einzige Punkt aus dem Jahre 1991, der bisher noch nicht auf dem Wege der Verwirklichung ist. Aber es wird daran gearbeitet. Lange hat es gedauert. Nun macht sich Frau Annegret Kamp-Karrenbauer, neue Kriegsministerin, ans Werk. Eine Dienstflicht für alle Jugendlichen, in Zivil und Uniform, soll her. (3)
Vorher war alles gefordert worden, was bereits zehn Jahre später verwirklicht wurde. Vom Deutschland, das sich als „Macht“ und „normal“ begreift, bis zu weltweiten Einsätzen mit Eingreiftruppen außerhalb des NATO-Territoriums; von Kriegen ohne Grundgesetzgrundlage und Einsätzen z.B. gegen Jugoslawien bis zur Eroberung strategischer Rohstoffe und Abwehr der „Masseneinwanderung“. Und von verstärkter Aufrüstung, und Schaffung einer Kadertruppe bis zur „Änderung des Massenbewusstseins in Militärfragen“. (4)
Die neue Bundesverteidigungsministerin kündigte anlässlich ihres Amtsantrittes im Juli 2019 regelmäßige bundesweite Zapfenstreiche an. In Berlin „wünschte“ sie sich für den „Geburtstag“ der Bundeswehr einen Zapfenstreich vor dem Reichstag: Wir werden die Sichtbarkeit der Bundeswehr in unserer Gesellschaft erhöhen. Neues Element der „Sichtbarmachung“: Die Soldaten sollen ab 1. Januar 2020 dann überall kostenlos mit der Bahn fahren, wenn sie eine Uniform tragen. (5) Es geht ausdrücklich um Sichtbarmachung, Visualisierung. Was soll sichtbar gemacht werden? Die Bundeswehr, der mit Kriegswaffen ausgestattete und von Nazi-Netzwerken durchzogene Staatsapparat, in dem sich die staatliche
Macht in ihrer tödlichsten Konsequenz materialisiert. Der Zapfenstreich
und die freie Fahrt für kriegerische Bürger sollen uns bundesweit und unübersehbar in der Öffentlichkeit präsentiert werden: ein Machtvisualisierungsritual, eine öffentliche Drohung.
Wozu die Braunen im Jahr 1995 – ich sagte es schon – aufriefen, war dies und es blieb gültig: „Junge Kameraden und Kameradinnen, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich sind,“ sollten sich unauffällig zu „einer Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei“ melden, „mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen“. (6)
Dieses Wissen und Können hatten die Mörder von Kassel und Halle, Stephan Ernst und Stephan Balliet, – sie hatten das Schießen bei der Bundeswehr erlernt. 169 Tote sind seit 1990 als Opfer der Rechten zu beklagen. Übrigens legt man gern Wert darauf mitzuteilen, wenn an Verbrechen Ausländer beteiligt waren. Wer von den Mördern der 169 Opfer ehemalige Bundeswehrangehörige waren, bleibt unerwähnt.
Und so durchlaufen diese Leute die Bundeswehr und geraten als äußerst rechte Kader in die Bewegung.

Das Thema, um das es heute geht, möchte ich in zwei Teile aufgliedern:
1. Rechte Netzwerke aus Bundeswehr und Polizeiangehörigen
2. Die Armee im inneren Einsatz und ihre als rechte Netzwerke
Beide Bereiche haben scheinbar ihr Exerzierfeld und ihren Experimentierbereich in Mecklenburg-Vorpommern. Ich erinnere an Heiligendamm 2007 und an die Prepper, das heißt Preparierer (Vorbeuger). Aber die Erscheinungen dort sind aufs ganze Land übertragbar.

In Bundeswehr und Polizei werden regelmäßig rechtsextreme Vorfälle entlarvt – und sofort wieder als vermeintliche „Einzelfälle“ verharmlost. Prepper-Netzwerke, denen auch Elite-Soldaten, Polizisten und Verfassungsschützer angehören, horten gestohlene Munition für den Tag X. Und sie erstellen Feindes- und Todeslisten mit Namen von linken und demokratischen Politikern und Journalisten. Besonders das Kommando Spezialkräfte (KSK) mit seinen 1.100 insgeheim wirkenden Soldaten kommt immer wieder in den Fokus, entweder weil deren Schwerpunkt „Extremismusbekämpfung“ äußerst fragwürdig ist oder weil in den KSK-Reihen fast wöchentlich „Problemfälle“ auftreten, wie die Fälle von Naziaktivitäten in der Bundeswehr verharmlosend genannt werden. Wie in der Bundeswehr, so auch bei der Polizei. Besonders aus Hessen werden die Fälle gemeldet, so u.a. vom 1. Innenstadtpolizeirevier in Frankfurt am Main, wo sich eine rechtsextreme Watsapp-Gruppe gebildet hat, die Drohbriefe, so an Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwältin aus dem NSU-Prozess, versendet und rechte Bilder und Schmähschriften breit streut. Es wird nicht wirklich etwas dagegen seitens des Innenministers unternommen.

1. Rechte Netzwerke aus Bundeswehr und Polizeiangehörigen

Der Fall des Ex -Oberleutnants Franco Albrecht und der Fall Hannibal

Ende April 2017 wurde der Bundeswehroberleutnant Franco Albrecht verhaftet, er saß mehrere Monate in Untersuchungshaft. Der Fall sorgte für Aufsehen und für eine Debatte über „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“. Doch die folgenden neuen „Traditionsrichtlinien“ der Bundeswehr von Ende März 2018 waren nicht nur eine Reaktion auf den Fall Franco Albrecht. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte bei den Streitkräften insgesamt ein „Haltungsproblem“ aus. Aber Richtlinien sind das eine, die Realität ist etwas anderes.
Nach einigen Monaten kam Franco Albrecht wieder frei. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ jedoch Mitte 2018 eine Anklage wegen Terrorverdachts zunächst nicht zu. Nun muss Franco Albrecht doch vor Gericht, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat – nach einer Klage des Generalbundesanwalts – nun anders entschieden. Schon im März 2018 war Franco Albrecht vorgeworfen worden, aus rechtsextremer Gesinnung einen Anschlag geplant und sich bewaffnet zu haben. Um den Verdacht gezielt auf Flüchtlinge zu lenken, hatte er sich als syrischer Bürgerkriegsflüchtling registrieren lassen.
Wie die bürgerlichen Medien in der vorvorigen Woche berichteten, hatten die Richter am BGH selbst Nachermittlungen in Auftrag gegeben. Dabei hätten sich die Hinweise auf „eine nationalistische/völkische, antisemitische und letztlich rechtsextremistische Einstellung“ bei Franco Albrecht erhärtet. So seien Aufzeichnungen wie „Hitler steht über allem“ sichergestellt worden. Er war im Besitz von Hitlers „Mein Kampf“ und mehreren CDs mit Nazi-Liedern. Franco Albrecht habe geglaubt, dass es eine „politisch wirksame Haltung“ brauche, weil der Mensch auch ‚die größte Wahrheit‘ nicht annehmen werde, wenn sie nicht mit einem ‚auslösenden Event verbunden‘ sei. Auch habe er eines seiner Gewehre mit einem Zielfernrohr ausgestattet und ein Gebäude der ‚Amadeu-Antonio-Stiftung ausgespäht. Ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest. (7)

Doch Franco Albrecht ist kein Einzelfall. Und er hält Kontakte zu „Hannibal“. Mitte November 2018 hatte ein Rechercheteam der „taz“ unter dem Titel „Hannibals Verein“ über ein Netzwerk vorwiegend aus Bundeswehrsoldaten berichtet, die sich angeblich auf einen „Tag X“ vorbereiten. Einer der Drahtzieher dieser Vernetzung, Andrè S., ein ehemaliger KSK-Soldat (Kommando Spezialkräfte), nannte sich in den Gruppenchats „Hannibal“. Andrè S. wirkt immer noch auf das KSK, auf die geheime Tötungsgruppe der Bundeswehr ein, er hat ein Netzwerk aufgebaut, den Verein „Uniter“ – und der wirkt ganz legal; ein e.V. mit Gemeinnützigkeitsstatus. Mitglieder sind Polizisten, Soldaten, , Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die unter konspirativen Bedingungen einen Plan hegen: Wenn sie die ein bestimmtes Signal sehen, wenn der „Tag X“ da ist, wollen sie zu den Waffen greifen. Sie reden auch über Erschießungen, ja auch das Wort „Endlösung“ soll gefallen sein, berichtete Otto Köhler in der Zeitschrift „Ossietzky“. (8)

Der Generalbundesanwalt ermittelte. Im Oktober dieses Jahres berichtete die „taz“ über einen PKW mit einer Zugangsberechtigung für die Julius-Leber-Kaserne in Berlin, gesiegelt vom „Kommando Territoriale Aufgaben“ der Bundeswehr, das in der Kaserne ebenfalls seinen Sitz hat: „Auf dem Armaturenbrett des Zivil-Pkw ist in riesigen Buchstaben eine Abbildung der Original-Unterschrift von Adolf Hitler aufgeklebt. Das Kennzeichen endet auf 888.“ In Brandenburg, Bayern und Sachsen Anhalt ist diese Zahlenkombination als Autokennzeichen verboten.

Immer wieder wird auch über die „Traditionsecken“ in Kasernen, von denen so manche noch immer den Namen eines „Wehrmachtshelden“ oder eines „Helden“ des 1. Weltkrieges trägt, berichtet oder über das Zeigen des Hitlergrußes. Wie die „Jüdische Allgemeine“ Anfang des Jahres berichtete, wurden allein 2018 bei der Bundeswehr 150 Vorfälle in den Meldekategorien mit „Verdacht auf Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, unzulässige politische Betätigung oder Volksverhetzung“ gemeldet. Und immer noch erinnern Bundeswehrsoldaten bei Gedenkfeiern wie bei denen zu Ehren gefallener Fallschirmjäger oder Gebirgsjäger auch an gefallene Wehrmachtssoldaten, darunter auch Kriegsverbrecher. (9)

Fall Prepper-Gruppe Nordkreuz

55.000 Patronen für den Tag X und Todeslisten wurden in Mecklenburg gefunden, und ein Ex-Elitepolizist steht deshalb nunmehr in Schwerin vor Gericht: Marko G. soll zur rechtsextremen Prepper-Gruppe Nordkreuz gehört haben. Auf den Todeslisten der Nazigruppe Nordkreuz sind 25.000 Frauen und Männer aufgeführt, die die Gruppe am Tag X beseitigen will. Ermittler fanden die Munition dafür bei Marko G. in Kisten und Tresoren, sogar in der blauen Mülltonne vor seiner Tür. Marko G. war Polizist im Spezialkommando SEK. Er hortete Gewehre, Pistolen, Blendgranaten, Schlagstöcke, Messer, Doppelkerngeschosse, Vollmantelgeschosse, eine Maschinenpistole vom Typ Uzi. Marko G. durfte seine registrierten Waffen bis zur ersten Razzia besitzen, – man war milde gestimmt ihm gegenüber – aber nicht dieses gesamte Arsenal mit Kriegswaffen und teils kriegstauglicher Munition.
Jetzt steht er wegen Verstöße gegen die Waffengesetze vor dem Landgericht Schwerin. Doch es geht in diesem Prozess um noch mehr. Die Staatsanwaltschaft wirft Marko G. vor, zur rechtsextremen Prepper-Gruppe (Prepper für prepare, vorbereiten) Nordkreuz zu gehören. Gegen zwei von deren mutmaßlichen Mitgliedern ermittelt der Generalbundesanwalt wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat – wegen Terror also. Gefunden wurden Leichensäcke, Löschkalk, – und Todeslisten. Gefunden wurden Dokumente über rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr und um deren Ideen von einem Tag X.
Marko G. war Präzisionsschütze und Schießtrainer der Polizei. Beim ersten Prozesstag im November hatte der Angeklagte den illegalen Waffenbesitz eingeräumt, aber sonst? Er stellte sich dar als konservativ und Waffennarr, dessen Begeisterung nur ein wenig aus dem Ruder gelaufen war. Die Uzi mit Schalldämpfer zum Beispiel, die er nie hätte besitzen dürfen, habe er 2009 oder 2010 bei einer Waffenbörse für 500 Euro gekauft und bei den Schwiegereltern gelagert, dann zu Hause. „Aus Sammelleidenschaft.“ Allerdings: Die Staatsanwaltschaft gab bekannt, dass die Maschinenpistole bei der Bundeswehr entwendet worden sei. Wie so manches andere auch.

Marco G. bezeichnet sich als Administrator der Chatgruppe Nordkreuz, einer Prepper-Vereinigung, offenbar vernetzt mit dem SEK der Polizei. Preppers präparieren sich für einen von ihnen erwarteten Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Das ist für sie der Tag X. Die einen horten nur Lebensmittel, andere haben tödliche Pläne. Zu Letzteren zählt nach Erkenntnissen der Ermittler die Gruppe Nordkreuz, wo vor allem Geflüchtete als Gefahr betrachtet werden und Listen von linken Feinden angelegt worden seien. Sie hätten Vorräte angelegt, „Workshops für das Überleben in der Wildnis“ veranstaltet, auch mal Schießtraining auf dem Schießstand. „Gedankenspiele im Rahmen des Krisenszenarios“, sagt jetzt ein Anwalt von Marko G. Munition habe Marko G. in kleinen Mengen bei Schießübungen der Polizei abgezweigt, das SEK trainierte vor allem auf einer privaten Anlage in Güstrow. 500 bis 700 Schuss pro Mann und Tag seien dort normal gewesen, so Marko G., für Präzisionsschützen wie ihn weniger. Auf dem Schiessplatz sollen auch bei internationalen Treffen Unmengen an Projektilen verschossen worden sein.

Auch andere Beamte wurden im Zuge der Affäre suspendiert, gegen vier wurden Verfahren eingeleitet. Eine Kommission beschäftigte sich im Auftrag der rot-schwarzen Landesregierung mit dem Fall, Innenminister Lorenz Caffier (CDU) wechselte Teile der LKA-Führung aus. Von „Schattenstrukturen“ sprach ein SPD-Abgeordneter.

Woher kam Geld für Munition von Nordkreuz, denn diese wurde nicht nur bei der Bundeswehr gestohlen? 7500 Euro soll Nordkreuz für 30 000 Schuss Munition gesammelt haben. Es hieß, „für einen Krisenfall“ brauche man „ca. 40 000 Schuss Munition“. Von einem „Safe-House“ ist die Rede, einem Versteck. Auf die Frage eines Kollegen, wie viel Munition er brauche, sagte Marko G. laut Protokoll der Ankläger einmal: „Alles, was geht.“
Bei einer Nordkreuz-Feier wurde ein Pokal gestiftet, der aussah wie ein Schütze mit Gewehr im Anschlag, sie nannten ihn „Mehmet-Turgut-Gedenkpokal 2016“. Mehmet Turgut wurde 2004 von der Terrororganisation NSU in Rostock ermordet. (10)

2. Die Armee im inneren Einsatz und ihre Soldaten- und Reservistenverbände als rechte Netzwerke

Bundeswehr im Einsatz
Die Basis all dieser geschilderten Geheimbünde sind die Reservistenverbände der Bundeswehr. Deutschland verfügt über eine neue unbekannte Heimatarmee. 441 Kommandos aus jeweils zwölf ständig einsetzbaren Reserveoffizieren bzw. Unteroffizieren sind in sämtlichen kreisfreien Städten, Landkreisen und Regierungsbezirken eingerichtet worden. Diese rund 5000 Reservekommandeure haben Zugriff auf weitere rund 90.000 ständig bereite, speziell ausgebildete Reservisten. Eingebunden in die zivilen Katastrophenschutzstäbe, erhalten sie Einsicht in die Bereitschaftsstände von zivilen Behörden, Polizei, technischem Hilfswerk und Feuerwehr. Sie sollen, so heißt es, vor allem den Katastrophenschutz verbessern. (11) Doch was ist außerdem ihre Aufgabe? Und wie kam es zu dieser zusätzlichen Armee?

Am 17. Februar 2005 wurde des Nachts vom Bundestag das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen. Ohne mündliche Aussprache – und fast ohne Berichterstattung der Medien. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, inzwischen sogar auf 65 Jahre, bis zu dem Zeitsoldaten als Reservisten mobilisiert werden können. Reservistinnen und Reservisten werden in den Umbau – man sagt hier „Transformation“ – der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee aktiv einbezogen werden. Mit § 6c des Gesetzes wird der Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Er weist Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben zu. (12) Sie sind Teil einer zehn Millionen umfassenden Veteranenarmee, die bis zum 65. Lebensjahr zu den Fahnen gerufen werden kann und für ihr ganzes Leben Uniform tragen dürfen. Wir werden eine Militarisierung, eine Uniformierung der Öffentlichkeit erleben, wie seit Kaisers und Hitlers Zeiten nicht mehr.

Bereits 2007 meldete die Bundeswehrzeitschrift „Y“: „Seit Jahresbeginn stellt sich die Bundeswehr in der Fläche der Republik neu auf.“ Sie zitiert den damaligen Minister Franz Josef Jung: „Die flächendeckende Einführung der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann.“ (13) Jung sagte weiter: „Reservistinnen und bleiben integraler Bestandteil der Bundeswehr.“ Sie seien, so im Kommentar von „Y“ weiter, vor allem auch als Mittler zur Gesellschaft gefordert. „Die gemeinsame Anstrengung gegen das ‚freundliche Desinteresse’ der Gesellschaft ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe für die Reservistinnen und der Bundeswehr“, erklärte ein Generalleutnant.

Sie sind Teil der von der Bundeswehr entwickelten Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ). In größerem Umfang wurde ZMZ bekannt beim Einsatz bei sogenannten Großereignissen wie dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und dem Nato-Gipfel im Frühjahr 2009 in Kehl und Straßburg. In einer Antwort der Bundesregierung an den Bundestag schloss das Bundesverteidigungsministerium nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Dies obliege allein den Landesbehörden. Selbst der Militäreinsatz anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen – eine Entscheidung darüber sei „dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten“. (14)

Die Bundestagsabgeordnete der Partei DieLinke Ulla Jelpke sagte dazu: „Die Bundesregierung hält sich damit alle Optionen für den Militäreinsatz im Inneren offen. Die ZMZ-Kommandos wirken gleichsam als militärische Vorauskommandos, die schleichend in die zivilen Verwaltungsstrukturen einsickern. Das Konzept der ZMZ läuft damit letzten Endes auf einen offenen Verfassungsbruch hinaus.“ Denn in Artikel 87a/2 heißt es: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Ausdrücklich läßt der dafür vorgesehene Artikel 35 einiges zu, aber kein Vorgehen der Bundeswehr gegen Demonstranten.

Ein Heimatschutz nach amerikanischem Vorbild wird aufgebaut und den zivilen Behörden in Stadt und Land „zur Seite gestellt“. Im Artikel 35 des Grundgesetzes ist für den Einsatz der Bundeswehr im Innern nur vorgesehen: „Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“. (15) Von Hilfe bei Polizeiaufgaben und „Großereignissen“ ist da nicht die Rede. Dennoch wird mit dem schwammigen Begriff „Terroranschläge“ gearbeitet, der die zu Hause zur Waffe greifen lassen soll. (16)
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien besagen: „Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten. Auch wenn dies vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann. Grundwehrdienstleistende und kommen dabei in ihrer klassischen Rolle, dem Schutz ihres Landes und ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger, zum Einsatz.“ (17)
Aus Rostock meldete bereits 2007 Vizeadmiral Wolfram Kühn, stellvertretender Generalinspekteur, mit Blick auf den bisher größten Einsatz der Bundeswehr im Inneren: „Die Bundeswehr hat einen weiteren Schritt zur Verbesserung des Schutzes Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger geleistet. Kompetente Ansprechpartner aus der Streitkräftebasis stehen zur Abwehr von Gefahrenlagen und Katastrophen und für Hilfe- und Unterstützungsleistungen zur Verfügung.“ (18) Rostock liegt in der Nähe von Heiligendamm, wo im Juni 2007 dann viele Tausend Protestierende zum Gipfel erschienen. Und sie bildeten dann die bekannte „Gefahrenlage“!?

Die Koordinierung der Reserve im Einsatz erfolgt auf mittlerer und unterer Ebene. Behörden der Bundesländer dürfen – grundgesetzwidrig – eigenständig Militär anfordern, und zwar per Amtshilfe nach Artikel 35 des Grundgesetzes. Dies geschah in Heiligendamm mittels „juristisch korrekter Amtshilfe“ (Franz Josef Jung lt. Spiegel online). Sogar zwei Tornados durften die Landesbehörden von Mecklenburg-Vorpommern zur „Einschüchterung der Protestler durch Tiefflüge“ (so Sprecher der SPD) anfordern, ohne dass die Bundesregierung zustimmen musste. (19) Das wäre aber nach Artikel 87a notwendig gewesen.

Der Einsatz der Truppe im Inneren bei politischen Auseinandersetzungen ist nach Artikel 35 nicht statthaft; dazu gibt es den Artikel 87a, der greift, wenn der Bundestag dem nicht widerspricht. Darin heißt es: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung (…) Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.“ Militärisch bewaffnete Aufständische? Wo gab es so etwas?

Die illegale Praxis des Bundesverfassungsgerichts, das Grundgesetz zu ändern, ohne seinen Text zu verändern – und diese Änderung des Wortlauts der Verfassung ist nur dem Bundestag vorbehalten – kam mal wieder in einem Urteil aus Karlsruhe aus dem Jahr 2012 zum Ausdruck. Weiter aufgestoßen wurde „die Tür für einen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inland“, schrieb Martin Kirsch von der Informationsstelle Militarisierung IMI. Außer dem Richter Reinhard Gaier stimmten am 25. August 2012 sämtliche Verfassungsrichter dafür, „in einer Grundgesetzänderung per Gerichtsentscheid den Einsatz von bewaffneten Einheiten der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr zu legalisieren, wenn es sich um eine ‚Ausnahmesituation kathastrophischen Ausmaßes‘ handeln würde.“ Reinhard Gaier schrieb dazu: „Im Schatten eines Arsenals militärischer Waffen kann freie Meinungsäußerung schwerlich gedeihen.“

Der Abbau der Freiheitsrechte – auch der mittels Einsatz der Bundeswehr im Innern – wird allgemein mit dem Krieg gegen den Terror begründet, der von außen in unser Land getragen werde. Ausdrücklich heißt es in Bundeswehrpublikationen, die Bundeswehreinsätze im Innern dienten nicht nur der Bekämpfung von Naturkatastrophen und der Hilfe bei Unglücksfällen, sondern auch dem Kampf gegen den Terrorismus, worunter das Vorgehen gegen die außerparlamentarische Opposition, zu verstehen ist. (20) Laut „Information für die Truppe“ heißt der Kampfauftrag: Gegen „Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner“.
ZMZ und das dazu gehörige Konzept begünstigen – wie oben geschildert – die Herausbildung militärischer Kommandostrukturen im zivilen Bereich und neuer extrem rechter Formationen. Es waren die Feuerwehrleute – nicht etwa die Gewerkschaften -, die bei der Bildung der 441 Kommandos in den Städten und Landkreisen warnten: „Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstruktur des Hauptverantwortlichen Beamten (HVB) (21) ist zu beachten, dass die Bundeswehr zwar wertvolle Katastrophenhilfe leisten kann, jedoch keinesfalls Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen darf.“ Noch deutlicher geht es gegen die Reservistenverbände: „Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstrukturen des jeweiligen HBV ist präzise zwischen der Funktion des ‚Beauftragten der Bundeswehr für die zivil-militärische Zusammenarbeit’ (BeaBwZMZ), welche durch einen Reservisten der Bundeswehr wahrgenommen wird, einerseits und den Reservistenverbänden andererseits zu unterscheiden. Eine Einbindung der Reservistenverbände (als ‚e.V.’) in die Gefahrenabwehr kann nicht in Betracht kommen.“ (22)
Eine derartig konsequente Haltung gegenüber dem Militarismus und der Rechtsentwicklung dürfte künftig nicht mehr selbstverständlich sein. Die AfD greift mit Hilfe der fünf Vizepräsidenten des Deutschen Feierwehrverbandes (DFV) nach der Macht in diesem 1,3 Millionen Mitglieder umfassenden Verband. Der Präsident des Verbandes, Hartmut Ziebs, soll abgesetzt werden, weil er sich der Einflussnahme der Völkischen und Rassisten entgegen stellte. (23)
Reservistenverbände wie auch der Bundeswehrverband und die Traditionsvereinigungen der Wehrmacht und Bundeswehr sind Tummelplätze für Rechtsextreme. Sie haben keine Satzungsbestimmungen, die es ihnen ermöglichen, Nazis, Neonazis und andere Rechtsextreme auszuschließen – und sie wünschen solche Bestimmungen wohl auch nicht.
Was sich die hohen Militärs wünschen, das diskutieren sie in ihren Zirkeln, so in der Führungsakademie und in der Clausewitz-Gesellschaft.

Clausewitz heute. Wer flüstert Kramp-Karrenbauer und der AfD was ein?

Die CDU/CSU hatte immer eine Hausmacht in der Armee. Nun sieht sie sich von der AfD bedroht, die „uns die Bundeswehr streitig machen will“, wie es in Unionskreisen heißt.
Sowohl die AfD wie auch die CDU/CSU werden in Militärfragen direkt oder indirekt von der Clausewitz-Gesellschaft e.V. beraten. Das ist eine Vereinigung, „die sich vor allem mit sicherheitspolitischen sowie strategischen Fragen und Themen auseinandersetzt.“ Die Clausewitz-Gesellschaft e.V. wurde 1961 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Hamburg, dem Standort der Führungsakademie der Bundeswehr. Die Gesellschaft hat gemäß ihrer Satzung die Zielsetzung, „am geistigen Leben der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft mitgestaltend teilzunehmen und den Gedanken der Verteidigungswürdigkeit und die Verteidigungsfähigkeit unseres Staates zu fördern. … Der Clausewitz-Gesellschaft e.V. gehören etwa 1.000 Mitglieder an, sowohl aktive und ehemalige Offiziere als auch weitere Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens.“ Es ist üblich, dass die Redenschreiber und Ideengeber der Konservativen aus den Reihen der Clausewitz-Gesellschaft kommen. Mit den bekannten Ergebnissen.

Gewaltanwendung gegen den inneren Feind wird noch relativ intern konzipiert und geübt. Gewaltanwendung gegen den äußeren Feind predigen ganz unbekümmert Politiker unseres Landes. Als Bundespräsident hat Joachim Gauck gesagt: Das „gute Deutschland, das beste, das wir jemals hatten“, muss „Verantwortung“ in aller Welt übernehmen, und da kann manchmal „auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein.“ Von mehr Verantwortung übernehmen reden sie alle: Von Frank Walter Steinmeier bis Annegret Kamp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen.
Kramp-Karrenbauer bzw. die Clausewitz-Gesellschaft meint, die Bundeswehr müsse „zupackender“ werden, mehr „Muskeln zeigen“ und sich auf Einsätze bis hin zum Indopazifik einstellen. Die Bundeswehr soll schneller reagieren können im Innern wie Äußeren. Deshalb müsse ein Nationaler Verteidigungsrat her, in dem Diplomatie, Generalität, Militär, Wirtschaft und Handel, Innere Sicherheit und Entwicklungspolitik zusammenarbeiten. (24) Deutschland müsse „Gestaltungsmacht“ werden, sagt nicht nur Kramp-Karrenbauer, sondern das sagt auch das Militärpolitische Programm der AfD-Bundestagsfraktion aus. Gestaltungsmacht? Am deutschen Wesen soll wieder mal die Welt genesen?

Einfluss der AfD
Dem stimmt die AfD zu. Die AfD will die Militarisierung der Gesellschaft vorantreiben, Die Wehrpflicht möchte sie wieder einführen und ist offen für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
Woher kommt die AfD? Die Anführer des Neonazismus aus Westdeutschland zogen 1990 größtenteils in den Osten – zum neuen NS-Aufbau. Darunter auch der heute führende AfD-Funktionär und vormalige Bundeswehrausbilder der KSK-Soldaten in der Fallschirmjäger Schule Altenstadt (Franz Josef Strauß Kaserne). Er ist der führende Mann des rechtsextremen Höcke-„Flügels“ in der AfD, Mitglied im Parteivorstand: Andreas Kalbitz. Dieser ist Brandenburgs AfD-Chef mit ausgeprägter Neonazivergangenheit. Angesprochen auf Berichte und Gerüchte zu seiner Vergangenheit sagt Kalbitz: „Ich habe keine rechtsextremistische Biografie“, allenfalls könne man von „rechtsextremen Bezügen“ reden.

Auch ein ehemaliger Kommandeur von Altenstadt, Fritz Zwicknagl, arbeitet inzwischen für die AfD, und zwar im Fachausschuss Verteidigung, wie AfD-Verteidigungsexperte Gerold Otten dem RedaktionsNetzwerk Deutschland bestätigt. Die Altenstadt-Connection zieht sich wie ein roter Faden durch rechte Netzwerke und Seilschaften, durch Parlamente – und Geheimdienste. Und durch die AfD. (25)
Führende Leute der AfD kommen aus der Bundeswehr: Exemplarisch seien genannt Rüdiger Lucasse (NRW-AfD-Chef, ehemals Bundeswehroberst im Generalstab), Joachim Wundrak (ehemals Bundeswehr und NATO-Chef der gesamten Lufteinsätze von Kalkar/Uedem aus, nun Politiker der AfD in Niedersachsen), Andreas Kalbitz, Brandenburgs AfD-Chef und Bundeswehrausbilder, war schon genannt. Sodann Uwe Junge, Oberstleutnant a.D., Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz. Georg Pazderski, Bundeswehroffizier und AfD-Chef von Berlin, Mitglied im Abgeordnetenhaus), und dann Jens Kestner, Ex-Oberfeldwebel bei der Panzertruppe, Mitglied der AfD-Fraktion im Bundestag.
Schließlich Peter Felser, AfD-MdB, früher Kommandeur in Bosnien.
Der Fall Joachim Wundrak – jetzt AfD – zeigt wie sich die Denkweise und Ideologie der Altnazis, obwohl diese gestorben sind, in neuen Personen fortsetzt. Wundrak, 1955 in Kerpen geboren stieg auf zum Generalleutnant und Mitglied im Führungsstab der Luftwaffe. Nach seinem kürzlichen Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst – er hat sich auch dem Aufbau der Kampfdrohnenrüstung gewidmet – präsentierte Freu Kamp-Karrenbauer den Plan, zum Schutz der deutschen Soldaten die Drohne Heron TP einzusetzen. Wer hat ihr dies wohl eingeredet?
Dann ist da noch der Rüdiger Lucasse. In der Bundestagsdebatte vom 28.6.2018 machte ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Rüdiger Lucasse, deutlich: „Deutschland muss führen; das muss auch in der Verteidigungs- und Militärpolitik unser Anspruch sein. Der Grund dafür ist einfach: Wenn Deutschland nicht führt, tut es ein anderer. Wir können dann entweder hinterherlaufen oder am Rand stehen.“ Lucassen war Oberst im Generalsstab und ist jetzt Geschäftsführer eines Rüstungsberatungsunternehmens, das u.a. Geschäfte mit Saudi Arabien macht. In der Lesung des Etats am 16.5.2018 forderte Lucasse eine Steigerung des Rüstungshaushalts bis 2025 auf 70 Mrd. Euro und des NATO-Zwei-Prozent-Ziels vom BIP. Der von der Regierung vorgelegte Verteidigungshaushalt werde nicht einmal den weiteren Verfall der Bundeswehr aufhalten können. Er forderte die Wiedereinführung der Wehrpflicht und eine Aufstockung der Bundeswehr auf 240.000 Soldaten.

Im Juli 2019 hat der mit hohen ehemaligen Militärs besetzte „Arbeitskreis Verteidigung“ der AfD-Bundestagsfraktion das militärpolitische Programm „Streitkraft Bundeswehr“ mit dem Untertitel „Der Weg zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“ veröffentlicht. (26) Dazu braucht es den Wehrwillen des Volkes: „Mit dem Wehrdienst wird auch der Wehrwille des deutschen Volkes gestärkt.“ (S. 23) Ansonsten will die AfD eine Kooperation von Bundeswehr und Polizei: „Die Bundeswehr übt regelmäßig die Kooperation mit Polizei und zivilen Organisationen. Diese Übungen zum Bevölkerungsschutz werden einmal jährlich unter Einsatz aller Kräfte stattfinden.“ (S. 32) Ebenso fordert die AfD die Kooperation von Bundeswehr mit Wissenschaft und Forschung: „Die Bundesrepublik fördert die Kooperation der Wehrindustrie mit deutschen Universitäten.“ (S. 42) Generell soll der Bundeswehr in der Öffentlichkeit mehr Platz eingeräumt werden: „Dazu erhöhen sie unter anderem die Zahl öffentlicher Gelöbnisse, Tage der offenen Tür und zivil-militärische Veranstaltungen. Die Bundeswehr und ihre Soldaten präsentieren sich am Tag der deutschen Einheit mit einer Hauptstadt–Parade“. „Zur Gefahrenabwehr unterhalb der Schwelle des Verteidigungsfalles“, soll die Bundeswehr zukünftig im Rahmen eines „erweiterten militärischen Einsatzes“ im Inland eingesetzt werden.“ (S. 32)
Die AfD will darüber hinaus die Reserve-Einheiten verstärken und zu einer Art Nationalgarde umwandeln: „Neben einer einsatzbereiten allgemeinen Reserve, wird es in Deutschland zukünftig ein gekadertes Reservistenkorps geben.“ (S. 24) Dieses Reservekorps soll als Ersatz-Grenzschutz dienen: „In einer zukünftigen Struktur der Bundeswehr wird die Reserve darüber hinaus stärker mit der territorialen Verteidigung und dem Schutz kritischer Infrastruktur beauftragt. Das Reservekorps der Bundeswehr wird zum Grenzschutz im Frieden befähigt.“ (S. 17) Erinnert sei hier daran, dass führende Politikerinnen der AfD, wie MdB Beatrix von Storch, den Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze öffentlich befürworteten. Der Einsatz der Armee gegen Geflüchtete ist aber auch insofern nur konsequent, da AfD und Co. ohnehin die Fluchtmigration als „Invasion“ und Geflüchtete als „Invasoren“ denunzieren. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern und die Militarisierung der Grenzbewachung sind derzeit noch grundgesetzwidrig, weswegen das Grundgesetz dafür verändert werden soll: „Die Sperrwirkung des Grundgesetzes ist anzupassen.“ (S. 32)

Wie weiter?
„In einer Situation, da die Menschheitsvernichtung droht – nicht ausschließlich, wie es die Medien faktisch suggerieren, durch Umweltzerstörung, aber auch durch sie – und vor allem durch einen Atomkrieg, in einer Situation, da international ein neuer Faschismus droht, in einer solchen Situation also gilt es, Verantwortung wahrzunehmen, um die um sich greifende Barbarei zu stoppen. Und schon gar nicht ist den Forderungen von Grünen und SPD nachzugeben, endlich die NATO-Bündnisverpflichtungen zu akzeptieren und ihre antirussische Position zu stärken.“ (Jürgen Herold, Bundessprecher der KPF)

Kann es zu einem Sinneswandel der SPD kommen? Die von der Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden Mitglieder bestimmten künftigen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sehen ein von der Bundeswehrministerin angeregtes größeres militärisches Engagement Deutschlands mit großer Skepsis. Esken sagte der Westfälischen Rundschau: Wichtiger seien Diplomatie, Frieden und Konfliktprävention: „Deutschland darf sich nie in unbegrenzte Auslandseinsätze stürzen, aus denen wir nicht wieder herauskommen. Das muss die Lehre aus Afghanistan sein.“ Walter-Borjans betonte: „Ich bin sehr geprägt von dem ‚Nie wieder‘ der Nachkriegszeit. Diese von Frau Kramp-Karrenbauer geführte Diskussion, Deutschland müsse endlich ‚normal‘ werden und überall Soldaten hinschicken, die halte ich für vollkommen falsch.“ (WR 8. November 2019) Kramp-Karrenbauer hatte eine „aktivere Außenpolitik“ verlangt. Dazu gehört, „militärische Mittel, wenn nötig, auszuschöpfen.“ Das lehnt die neue SPD-Spitze ab. Hoffentlich!

Das was ich hier darlegte, war alles nicht unbekannt. Doch das alles stieß in der Öffentlichkeit auf wenig Interesse, wie der Deutschlandfunk Kultur feststellte: »Wenn sich Bundeswehrsoldaten darüber unterhalten, dass man für einen Tag X Lagerhallen – und Leichensäcke – bereitstellen will und dazu nutzen will, politische Gegner und Feinde zu internieren und sogar zu liquidieren, dann ist das eigentlich ein Grund für einen Aufschrei. Und dass dieser Aufschrei auch medial nicht erfolgt, das ist kein gutes Zeichen.«

Was ist zu tun?
Die Entwicklung der Netzwerke, ja der geheimen Armee in Bundeswehr und Polizei, betrieben von Völkischen, von Rassisten, ja Neonazis, beunruhigt uns. Aber wir warten nicht auf den Tag X. Dann wäre es zu spät. Heute müssen wir handeln.
1.-Das im Grundgesetz Artikel 26 festgeschriebene Verbot zur Führung eines Angriffskrieges wurde ebenso nie ernsthaft beachtet, wie der im Artikel 87a GG festgelegten Auftrag, dass die Streitkräfte nur zur Verteidigung eingesetzt werden dürfen. Wir kämpfen für die Einhaltung des Grundgesetzes.
2.-Das KSK ist aufzulösen. Es ist die Keimzelle des rechten Terrors im Lande. Ebenso klären wir überall, wo wir können, über die Rolle der Reservistenverbände und des Uniter e.V. auf.

3.-Wir fordern Ermittlungen gegen den Rechtsterrorismus. Die rund 500 nicht vollstreckten Haftbefehle gegen Neonazis sollen die Polizei zum Handeln zwingen.

4.-Die AfD will Migrationsfrage militärisch lösen, mit Militär an der Grenze gegen die Migranten vorgehen. Diesen lebensbedrohenden Rassismus müssen wir entlarven. Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören. Wir sagen in aller Klarheit: Wir nehmen nicht hin, dass von 2014 bis Ende Oktober 2019 zwischen Afrika und Europa 19.005 gezählte Opfer im Mittelmeer umkamen und davon auszugehen ist, dass vermutlich doppelt so viele Menschen auf dem Weg zum Mittelmeer sterben wie im Mittelmeer selbst.
5.-Auch Friedensbewegte und Angehörige des Gesundheitswesens sollten die kostenlose Fahrt mit der DB verlangen. Demonstratives „Schwarzfahren“ gegen das „Tarnfleckfahren“ ist zu prüfen.

6.-Kommunale Vorbereitungen zur Militarisierung in den Kommunen wurden getroffen. Räume für einen Krisenstab unter Leitung der Bundeswehr wurden bereitgestellt. Die Friedensbewegung vor Ort sollte das prüfen: Wer zahlt das Alles. Wo lagern die Waffen der Reservisten?

7.-Gelöbnisse sollten nicht kampflos hingenommen werden. Sie dienen der Militarisierung der Gesellschaft. Sie sollen das militärische Tötungs- und Sterbegebot durchsetzen. Am 6. Mai 2020 ist es 40 Jahre her, seit die Militär- und politische Führung ein großes Fiasko erlitt, das darin bestand, dass die öffentliche Rekrutenvereidigung zum 25. Jahrestag des NATO-Beitritts der BRD im Bremer Weser-Stadion erheblich gestört wurde.

8.-Die Bewegung „Schule ohne Bundeswehr“ sollte wieder zu unser aller Sache gemacht werden.
9.-Die Traditionen der faschistischen Wehrmacht und ihrer „Kriegshelden“ werden von uns angegriffen. Adolf Heusinger und die vielen anderen Offiziere stehen für die Kontinuität der die Traditionspflege der Bundeswehr. Nach wie vor ist das Eiserne Kreuz das nationale Erkennungszeichen der Bundeswehr und das verklärte, ich zitiere, „Sinnbild für Tapferkeit und Ritterlichkeit“. Auch weiterhin sollen Angehörige der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundewehr aufgenommen werden können. Das prangern wir öffentlich an.
10.-Kasernennamen werden wir weiter unter die Lupe nehmen, die Traditionsarbeit der Bundeswehr beobachten. Noch immer gibt es über 20 Kasernen die nach Helden der Hitlerwehrmacht und weitere 37, die nach kriegerischen Eroberern benannt sind. Dazu gehören die von der Nazi-Propaganda gefeierten Kriegshelden wie der „Panzerknacker“ Dirk Liliental (Kaserne in Delmenhorst), der von Hitler für seine über 100 Flugzeugabschüsse ausgezeichnete, Hans-Joachim Marseille (Kaserne in Appen/SH) und der als „Wüstenfuchs“ gefeierten Erwin Rommel (Kaserne Augustdorf). Und natürlich gibt es auch bis heute eine Kaserne, die nach dem „Schlächter von Tannenberg“ (1914) und Steigbügelhalter für Hitlers Machtantritt, Paul von Hindenburg, benannt ist. Dagegen treten wir an.
11.-Deutschland ist wieder einer der größten Produzenten von Rüstungsgüter. Waffen „Made in Germany“ werden in viele Länder geliefert. Darunter kriegführende Staaten wie Saudi Arabien. Vor allem Rheinmetall muss unseren weiteren Protest erleben.
12.-Im Jahr 2021 begehen wir hundertfünfzig Jahre einiges Deutschland. Es kam durch Krieg, durch „Blut und Eisen“ (Bismarck) zustande. Die Lehren der Geschichte wurden nie gezogen: Zwei Weltkriege gingen von Deutschland aus. Antikriegsaktionen zum 150. Jahrestag sind fällig.

Anmerkungen

(1) aus: „Umbruch“ von Stefan Hupka, NPD, 1995
(2) bbw-Dokumentationsreihe Nr. 20 des Bildungswerkes der Bayerischen Wirtschaft
(3) lt. Deutschlandfunk, 28. 11. 2019
(4) siehe Ulrich Sander „Der dritte Feldzug gegen Serbien“, Bundeswehr im Kriegseinsatz, hg. von VVN-BdA, Juni 1999. siehe ferner „Ausdruck Nr. 6/19 vom Dezember 2019, hg. von IMI, Informationsstelle Militärinformation, zur Grundsatzrede von Ministerin Kamp-Karrenbauer über die Forderung nach globaler Kriegsführung durch die Bundeswehr. Die innerstaatliche Kriegsführung begründete die Ministerin in einer weiteren Grundsatzrede, siehe Süddeutsche Zeitung vom 29. November 2019, betr. „verpflichtendes Dienstjahr“.
(5) siehe „Freie Fahrt für die Bundeswehr“, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 23.11.19
(6) Siehe Anmerkung 1
(7) Aus einer Pressezusammenfassung von Nina Hager, UZ 29. 11. 19
(8) lt. Otto Köhler in Ossietzky 20/19 und Stern Nr. 33/19
(9) siehe Anmerkung 7
(10) Quelle zu dem Bericht über Nordkreuz: Süddeutsche Ztg., Peter Burghardt, 29.11.19
(11) lt. Bundestagsdrucksache 16/13847 und Pressemitteilung von MdB Ulla Jelpke vom 1.9.2009
(12) Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode, 17.2.09, Protokoll Seite 14757 bis 14761
(13) Bundeswehr-Magazin „Y“ 2/08
(14) Bundestagsdrucksache 16/13847 vom 26. August 2009
(15) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 35, Abs. 2
(16) lt. den unter Minister Struck (SPD) im Mai 2003 von den Generälen formulierten Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPD) ist der „Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymetrischen Bedrohungen“ Aufgabe der Bundeswehr.
(17) VPR vom 21.5.03, siehe www.bundeswehr.de
(18) Internetseite der Bundeswehr www.bundeswehr.de im januar 2007
(19) Spiegel online, 16. Juni 2007, siehe auch „Ausdruck Nr. 6/19 vom Dezember 2019, hg. von IMI, Informationsstelle Militärinformation, Seite 26.
(20) lt. Information für die Trupp 3/2002
(21) HVB = Regierungspräsident, Landrat oder Bürgermeister
(22) So heißt es in einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in NRW vom 20.2.08, zitiert nach der Netzzeitung „Bochum alternativ“ und www.dielinke-ratsfraktion-bochum.de/bochum2/anfragenalle/detail.php
(23) Zur Entwicklung im Feuerwehrverband siehe Westfälische Rundschau, 22. 11. 2019
(24) Kramp-Karrenbauers Kriegsprogramm siehe Süddeutsche Zeitung 8. Nov. 2019 und Westfälische Rundschau „Deutschland als ‚Gestaltungsmacht‘“, 8.11.19
(25) lt. RedaktionsnetzwerkDeutschland, Autor Jörg Köpke, 5. und 10. September 2019
(26) lt. IMI Initiative Militärinformation, Analysen 2019/20 vom 24.9.19, Autor: Lucius Teidelbaum, über Hg. „Arbeitskreis Verteidigung“ der AfD-Bundestagsfraktion: Militärpolitisches Programm der AfD „Streitkraft Bundeswehr“; im Juli 2019.