Der „Bienenstock“ von Zedelgem (Belgien) – oder „Fliegen um einen Scheißhaufen“
14. Oktober 2021
Belgien, Denkmal, Lettland, Waffen-SS
Zedelgem in Belgien in der Region Flandern mit ca. 22.800 Einwohnern. Brügge liegt 8 km nordöstlich, Oostende an der belgischen Küste 18 km nordwestlich. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war in diesem Orte ein Kriegsgefangenenlager mit bis zu 60.000 Gefangenen der Wehrmacht und der Waffen SS. Die jetzige Bürgermeisterin ist Frau Annick Vermeulen.
Es wurde im Jahre 2018 in Zedelgem ein Denkmal errichtet. Das Denkmal steht auf einem Friedensplatz und zeigt einen Bienenstock. Im Jahre 1945 hatte die Gemeinde ca. 2.000 bis 3.000 Einwohner. Auf der Gedenktafel wird nicht an die große Anzahl der Kriegsgefangenen erinnert, sondern es wird nur über lettische Kriegsgefangene berichtet. Dabei wurde wohl aus politischen Gründen verzichtet, darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Angehörige der lettischen Waffen SS handelt.
Interessant ist auch, dass die Konzeption dieses Denkmales mit dem lettischen Besatzungsmuseum entwickelt worden ist. Nachdem sich internationaler und nationaler Widerstand formiert hatte. Trat der in der Gemeinde Zedelgem zuständige Beigeordnete für Denkmalschutz Jurgen Dehaemers wurde von seiner Funktion „zurück“. Die Gemeinde selbst versuchte die Gemüter, mit einer zusätzlichen Erklärung zu diesem Denkmal, zu besänftigen. Seit 2018 regt sich breiter Widerstand gegen dieses Denkmal und die Verharmlosung der SS-Verbrechen. Veteranen und antifaschistische Organisationen aber auch die jüdische Gemeinde in Belgien und einige Abgeordnete des belgischen Parlaments fordern die Beseitigung dieses Schandmals.
Nach wie vor erhalten ehemalige belgische Mitglieder der Waffen-SS Renten aus dem Topf der Deutschen Rentenversicherung. Es sind ca. 30 Männer, alle über 90 Jahre, sie erhalten Zusatzrenten von 425 bis 1275 Euro je Monat. Dagegen erhalten Belgier, die während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland als Zwangsarbeiter waren, eine Entschädigung von 50 Euro im Monat.
Erstaunlich ist auch die Geschichtsklitterung, mit diesem Denkmal sollen die Angehörigen der lettischen Waffen SS zu „Freiheitskämpfern“ deklariert werden. Die VVN-BdA stellt fest, die Waffen-SS ist eine verbrecherische Organisation. Eine große Anzahl von Belgiern scheint vergessen zu haben, dass sie auch Opfer der faschistischen Besetzung durch die Wehrmacht gewesen sind.
Eifrige belgische Beamte der Stadtverwaltung in Zedelgen denken jetzt darüber nach, eine Änderung des Namens dieses „Freiheits“-Platzes, auf dem sich der Bienenstock befindet, die Beschilderung des Denkmals abzuändern.
Auch die jüdische Gemeinde ist empört. „Wir können nicht verstehen, warum hier ein Denkmal zum Ruhm von SS-Kämpfern aufgestellt worden ist“. Es sollen nicht Bienen um einen Bienenstock sein, sondern Fliegen um einen Scheißhaufen.“ Die jüdische Gemeinde bedauert auch, dass es nur zwei französisch sprechende Parlamentarier gibt, die diesen Vorgang im Parlament angesprochen haben. Eine wirkliche Debatte hat es dazu nicht gegeben. Die Historiker aus Flandern sagen, „an einer wirklichen Aufarbeitung der Geschichte Flanderns in der NS-Zeit besteht, ebenso wie in Deutschland wenig, bis kein Interesse.“
Kritik gibt es auch am Denkmal selbst. Die Biene ist ein fleißiges und soziales Insekt, das für das Überleben von Mensch und Natur wertvoll ist. Aber Angehörige der Waffen-SS waren nicht „wertvoll“, sondern haben brutal gegen Zivilisten und politisch Andersdenkende dreingeschlagen.
Somit ist die nachfolgende Initiative zu begrüßen. Am Sonntag, dem 15. August 2021 haben sich verschiedene Organisationen getroffen. Von belgischer Seite nahmen Vertreter der Groupe Mémoire, Belgians Remember Them, ein Mitglied belg. Partei Groen und Loic Nicolas, 1. Sekretär des ehemaligen Staatsministers für das öffentliche Amt und Verteidigungsminister A. Flahaut (Mitglied der Parti Socialiste) und von deutscher Seite Vertreter_in der VVN-BdA Kreisvereinigung Aachen (Detlef Peikert, Jean-Francois Maréchal, belg. Staatsbürger) und das VVN-BdA Vorstandsmitglied aus NRW Silvia Rölle teil. Ulrich Schneider, Generalsekretär des FIR war verhindert. Das gemeinsame Ziel – die Entfernung dieses „Ehrenmals“.
Ein altes chinesisches Sprichwort sagt, jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt. Dieser ist nun gemeinsam unternommen worden. Was kann ich jetzt persönlich als VVN-BdA Aktivist_in oder als politisch denkender Mensch unternehmen. Bitte schreibe einen Protestbrief an deinen zuständigen Europa-Abgeordneten aber auch an die Gemeinde Zegeldem (info@zegeldem.de). Auch die deutsche Partnerstadt von Zegeldem die Stadt Reil an der Mosel sollte ein Protestschreiben erhalten. Dieses bitte an die Bürgermeisterin Elke Schnabel (CDU) richten (Ortsbuergermeisterin@reil-mosel.de).
Die VVN-BdA in NRW hat die Aufgabe übernommen den Protest von deutscher Seite zu organisieren. Bitte sendet uns eine Kopie euer Protestnote zu, unter: nrw@vvn-bda.de. Vielen Dank für eure Unterstützung.
Ortwin Bickhove-Swiderski, Dülmen-Rorup
Korrigierte Fassung vom 23.12.2021