Wurde Hitler in Köln zum Reichskanzler gekürt?

27. Dezember 2022

Veranstaltung am 4. Januar 2023 um 19 Uhr
im Bürgerzentrum Ehrenfeld, Venloer Str. 429
mit Dr. Ulrich Schneider,
Bundessprecher der VVN-BdA und
Geschäftsführer der FIR, der Föderation Internationaler Widerstandskämpfer

Stadtwaldgürtel 35

Am 4. Januar 2023 jährt sich ein Ereignis zum neunzigsten Mal, das den Verlauf der deutschen Geschichte wohl entscheidend beeinflusste: Das heimliche Treffen Adolf Hitlers mit dem konservativen Politiker und ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen in der Villa des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder am Stadtwaldgürtel in Lindenthal. Dort erfolgte eine Weichenstellung, die den Weg in die Nazidiktatur zumindest stark beschleunigte, wenn nicht sogar erst ermöglichte. Da Ort und Ereignis nicht mehr allgemein bekannt sind, hier eine kurze Zusammenfassung der Vorgänge:

Am Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts befand sich Deutschland in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Die Arbeitslosenzahlen schossen in die Höhe (von 14,6 % im Jahre 1929 auf 44,4 % 1932), hinzu kam eine riesige Anzahl von Menschen, die zu Kurzarbeit gezwungen waren (7,5 % 1929; 22,6 % 1932). Die Schlangen der Erwerbslosen vor den Arbeitsämtern waren lang, das soziale Elend gigantisch. Diese katastrophale Lage trug dazu bei, dass die Unzufriedenheit der Menschen mit einem System, das ihnen weder Arbeit, noch ein menschenwürdiges Auskommen bieten konnte, riesig wurde. ArbeiterInnen orientierten sich oft nach links: Der Stimmanteil der KPD in den Reichstagswahlen stieg von 10,6 % (1928) über 13,1 % (1930) auf 16,9 % im November 1932, der Anteil der SPD ging im gleichen Zeitraum von 29,8 % auf 20,4 % zurück.

Gleichzeitig wurde die NSDAP schnell zur wählerInnenstärksten Partei: Erhielt sie bei den Reichstagswahlen 1928 nur 2,6 % der Stimmen, stieg ihr Anteil 1930 bereits auf 18,3 % und erreichte seinen Zenit in der ersten Reichstagswahl 1932 mit 37,3 % (bei einer Wahlbeteiligung von 84 %). Nur gut 3 Monate später, am 6.11., war ihr Stimmanteil zurückgegangen: „Nur noch“ 33,1 % der WählerInnen machten ihr Kreuz bei der NSDAP.

Angesichts dieser Entwicklung wurde in den bürgerlichen Parteien darüber diskutiert, ob es sinnvoll sein könnte, die Nazis an der Reichsregierung zu beteiligen. Auch wichtige Teile der Großindustrie (Schwerindustrie, Chemieindustrie) sowie die Großbanken setzten auf die NSDAP, deren Führer ihnen versichert hatte, dass der „nationale Sozialismus“ sich nicht gegen die Interessen des Kapitals richten, dafür aber die ArbeiterInnenbewegung zerschlagen werde.

Im Spätherbst 1932 schien die NSDAP ihren Erfolgshöhepunkt überschritten zu haben – ihr Anteil an den WählerInnen sank langsam, aber er sank. Für die Teile der Industrie, die ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen am besten von den Nazis vertreten sahen, war Eile angesagt. In dieser Situation kamen, neben anderen, zwei Männer ins Spiel: Der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder und der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen. Schröder war Mitinhaber der Kölner Privatbank J.H. Stein und Mitglied der bürgerlich-konservativen Deutschen Volkspartei (DVP). Seit 1932 agierte er für einen Reichskanzler Hitler. Von Papen war lange Mitglied der katholischen Zentrumspartei, auf deren rechtem Flügel er stand. Zwischen Juni und November 1932 war von Papen Reichskanzler im sogenannten „Kabinett der Barone“. Er war der Vertreter der Kreise der Großindustrie, die die Nazipartei an der Regierung sehen wollten. In dieser Eigenschaft traf er sich am 4. Januar 1933 heimlich in der Lindenthaler Villa des Bankiers von Schröder mit Adolf Hitler. Der Kölner Bankier sagte über dieses Treffen im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher an Eides statt aus:

„Diese Zusammenkunft zwischen Hitler und Papen am 4. Januar 1933 in meinem Haus in Köln wurde von mir arrangiert, nachdem Papen mich ungefähr am 10 Dezember 1932 darum ersucht hatte. Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 ihren ersten Rückschlag erlitt, und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, daß die Nationalsozialisten – einmal an der Macht – eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden….In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen: eine von Hitler projektierte Erhöhung der deutschen Wehrmacht von 100.000 auf 300.000 Mann…“ (zitiert nach: Reinhard Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, 5. Auflage 1980, S. 174 f.).

Es wäre müßig, sich mit Ereignissen, die 90 Jahre zurückliegen, zu befassen, wenn wir aus ihnen nichts lernen könnten (und müssen). Für AntifaschistInnen heißt das, sich an die Worte des italienischen Auschwitz-Überlebenden und Schriftstellers Primo Levi zu erinnern: „Es ist geschehen, also kann es wieder geschehen“. Große Teile des Kapitals waren 1932/33 bereit, die Macht an die Nazipartei zu übertragen, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen. Es gelang ihnen (nicht zuletzt deshalb, weil die Gegenkräfte nicht einig waren) – die mörderischen Folgen sind bekannt.

Der Kapitalismus führt nicht zwangsläufig in den Faschismus – die Möglichkeit ist ihm aber immanent. Wir sollten also wachsam sein; auch wenn eine faschistische Machtübernahme derzeit keine Option ist. Dass sie es werden könnte, zeigen die Millionenspenden einiger Unternehmen an die AfD und die letzten Wahlen in Italien.

Das Friedensbildungswerk bietet anlässlich des 4. Januars einen Gedenkgang an:

Sa 07.01. 2023 / 14.00 Uhr / Treffpunkt Villa Schröder, Stadtwaldgürtel 35, 50933 Köln / Kostenbeitrag 12 (10) Euro / Kurs 87-V1 / Anmeldung erforderlich bis zum 03.01.2023

So 08.01. 2023 / 14.00 Uhr / Kostenbeitrag 12 (10) Euro / Kurs 87-V11 / Anmeldung erforderlich bis zum 03.01.2023

1933 am 4. Januar, trafen sich in Köln auf Initiative des Bankiers Kurt von Schröder in seiner Villa zwei Menschen, die das Schicksal Deutschlands und der Welt bestimmten. Adolf Hitler, der gerne Reichskanzler werden will, es durch Wahlen aber nicht geschafft hat. Und der Berater von Reichspräsident Hindenburg, der frühere Reichskanzler von Papen. Eine konservativ-nationale Regierung mit Beteiligung der Nazis steht im Raum. Doch wer wird Reichskanzler?

In der Villa Schröder begann es und 1945 endetet das tausendjährige Reich in Schutt und Asche.

Von der Villa Schröder gehen wir durch die braune Vergangenheit Braunsfelds. Dort treffen wir auf das Rechercheteam zur Friedrich-Schmidt-Str. 54a. Am Petershof in Müngersdorf gibt es einen Einblick in die Hitlerjugendvergangenheit. Hildegard Jahn-Schnelle und Kurt Schlechtriemen werden zum Gedenkort Deportationslager Köln-Müngersdorf sprechen. Wir erinnern an die vielen Menschen, die verfolgt und getötet wurde.

Roland Schüler, der die Führung macht, ist Müngersdorfer und gehörte zum Arbeitskreis zur Errichtung des Gedenkortes Deportationslager. Er hat diese Führung 1985 für die Friedensinitiative Braunsfeld/Müngersdorf zum ersten Mal gehalten.

Der Weg ist ca 5km lang und dauert 2-2 ½ Stunden.

Eine gemeinsame Veranstaltung von EL-DE-Haus-Verein, dem Bürgerverein Müngersdorf, der Machbarschaft Petershof e.V., Zeitgeist e.V. und dem Friedensbildungswerk.

Anmeldung bis 3.1.2023 per mail über FBKKOELN@t-online.de,
telefonisch 0221 952 19 45