Aufruf an unsere Mitglieder, Freundinnen und Freunde zur Kommunalwahl 2020
30. August 2020
Im September 2020 wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Wir rufen die Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten und alle ihre Freundinnen und Freunde auf, sich in die Vorbereitungen der Kommunalwahlen in NRW einzubringen und antifaschistische Forderungen aufzustellen, auch ihr Wahlverhalten danach zu richten, wie die Kandidatinnen und Kandidaten mit unseren Vorstellungen umgehen.
Wir haben ein großes Sammelbecken unterschiedlicher rechter, rechtsextremer und neofaschistischer Gruppierungen, die versuchen sich kommunalpolitisch aufzustellen. Durch ihr beständiges, öffentliches Auftreten versuchen sie Normalität herzustellen. Faschismus ist aber keine Normalität sondern ein Verbrechen!
Wie ist die Lage?
Die AfD ist im Bundestag und in allen Landesparlamenten vertreten. Dieser Siegeszug der AfD war vorhersehbar und von Teilen der Wirtschaft, der Politiker der Mitte und des Militärs auch gewollt. Denn, an der AfD alleine ist nicht die Rechtsentwicklung festzumachen. Die Rechtsentwicklung ist mehrdimensional. Sie äußert sich nicht nur in der rechten Parteienlandschaft oder in den rassistischen und neofaschistischen Bewegungen, sondern auch in den politischen Entscheidungen wie:
• die Verschärfung des Polizeigesetzes mit massiven Eingriffsrechten ins Grundrecht und erheblicher Erweiterung der Polizeibefugnisse.
• mit der Neuordnung der Bundeswehrreserve. Das Alter der Reservesoldaten wurde von 45 auf 60 Jahre erhöht. Die ehemaligen Bundeswehrsoldaten sollen immer einsatzbereit sein. Sie sollen im Spannungs- oder Notstandsfall zur Hilfeleistung im Inland herangezogen werden. Von den Reservisten sind über einhunderttausend im Deutschen Reservistenverband organisiert. Hier tummeln sich zahlreiche Rechtsextremisten und Neonazis. In jeder kreisfreien Stadt und in den Kreisen wurden Kommandozentralen eingerichtet, die dem Kommando von Reserveoffizieren unterstellt sind. Diese Kommandozentralen können jederzeit die zivile Verwaltung aushebeln.
• das bestehende Verbot des Faschismus in der ehemaligen DDR wurde bei der Vereinnahmung in die BRD nicht übernommen, sondern ersatzlos gestrichen. Die NPD wurde auch in Westberlin zugelassen. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 17.Januar 2017 verbietet die NPD nicht, und zwar wegen „Bedeutungslosigkeit“. Diese fatale Entscheidung gab den Rechtsextremisten und Faschisten Aufwind mit verheerenden Folgen.
• Agenda 2010 mit dem einhergehenden Sozialabbau.
• die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von fortschrittlichen Organisationen wie ATTAC, Rote Hilfe, Campact und VVN-BdA.
Was passiert hierzulande?
• Pegidagruppen entstehen bundesweit in den Gemeinden. Diese Gruppierungen sind völkisch und rassistisch.
• Rechte Gruppierungen treten mit unterschiedlichen Gesichtern auf und missbrauchen Vorfälle oder kommunale Probleme für ihre Demagogie (Mütter gegen Gewalt, Frauen gegen Angst, Friday for Altersarmut usw.).
• Auch die AfD besetzt kommunalpolitische Themen für ihre Demagogie.
• nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, erhielten viele Bürgermeister/innen Drohbriefe. In den Kommunen werden Politiker von Rechtsextremisten/Faschisten bedroht oder angegriffen:
Henriette Reker und Andreas Hollstein (Altena) erleiden Messerattacken; Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) verzichtet auf neue Kandidatur, da er und seine Familie massiv bedroht werden. Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort Christoph Landscheidt hatte dafür gesorgt, dass Wahlplakate der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ abgehängt werden. Darauf stand „Israel ist unser Unglück“ und „Wir hängen nicht nur Plakate“. Seit dem werden er und seine Familie massiv bedroht. In seiner Not beantragte er einen Waffenschein. Mittlerweile hat er den Antrag zurückgezogen. Doch nicht nur Kommunalpolitiker werden bedroht. Die Bedrohungen von antifaschistisch Engagierten halten an. Der Doppelmord von Halle ist unvergessen. Fast hätte er sich zu einem antisemitischen Massaker ausgeweitet.
• Was am 5.2.2020 in Erfurt passiert ist, ist auch schon in den Kommunen passiert:
Mit Stimmen der CDU, SPD und FDP wurde der z.B. der NPD-Politiker Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher von Altenstadt gewählt. Die Zustimmung zu AfD-Anträgen ist seitens der Politiker der Mitte gang und gäbe. Wenn es ins politische Kalkül passt, findet sich immer eine gewisse Akzeptanz – auch weit nach rechts.
Wie können wir dem entgegentreten?
Aus Berichten von Belgien und Österreich wissen wir, dass es gelingen kann den rechten Kräften das Wasser abzugraben. Dort wurde die soziale Frage in den Mittelpunkt der politischen Arbeit gestellt und es wurde sich um die Menschen vor Ort gekümmert (Begleitung zu den Ämtern, Hilfe bei Wohnungsproblemen usw.)
Wir haben im September 2020 die Kommunalwahlen in NRW. Warum sind diese so wichtig? In der Kommune erleben die Menschen unmittelbar was in unserer Gesellschaft los ist. Da ist das Wohnviertel und allem was damit zusammenhängt:
Wohnung, Schule, Kindergarten, Arzt, Krankenhaus, Nahverkehr und und und.
Da wo die Menschen leben, erleben sie unmittelbar all die Ungerechtigkeiten und Missstände, all die Auswirkungen einer neoliberalen Politik, die oben ganz viel und unten immer weniger ankommen lässt. Dort erleben die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes hautnah die Zumutungen dieser Politik. Sie sind empört, fühlen sich entwertet, im Stich gelassen. Oft schlucken sie ihre Wut und ihren Ärger runter, machen, wie man so schön sagt, eine Faust in der Tasche, nur dort.
Rechte Kräfte nutzen mit ihrer Sozialdemagogie diese Gefühle aus. Wir müssen den Rechten das Wasser abgraben, indem wir sie entlarven und uns aktiv einbringen. Setzen wir die Erfahrungen der Belgier und Österreicher gegen rechts bei uns um. Kümmern wir uns!
Antifaschistin oder Antifaschist sein bedeutet vor allem:
In breiten Bündnissen gegen rechts zu wirken. Wachsam zu sein gegen jeden Versuch, dass Neonazis sich legal etablieren und gegen die juristische, polizeiliche und behördliche Hilfestellung für Rassismus und Antisemitismus. Keine Nazis in die Parlamente!
Im Einzelnen geht es darum:
• Gegebenenfalls Ansprechpartner oder Hilfevermittler für sozial Abgehängte sein.
• Initiativen für bezahlbaren Wohnungsbau unterstützen. Dabei Äußerungen, der Wohnungsmangel sei durch die Flüchtlinge entstanden, deutlich entgegen treten und widerlegen.
• Initiativen gegen Hartz IV unterstützen.
• Initiativen gegen Rassismus (wie z.B. Aufstehen gegen Rassismus), Antisemitismus, Abschiebung unterstützen.
• Die AfD entlarven. Hier hilft auch unsere Ausstellung „AfD – keine Alternative“.
• Mit den Gewerkschaften und Sozialverbänden der Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft entgegentreten und gegen weiteren Sozialabbau kämpfen.
• Breiteste Bündnisse (Minimalkonsens) gegen rechts bilden bzw. unterstützen.
• jegliche Annäherung der bürgerlichen Parteien an rechte Kräfte anprangern.
• Jegliche Spaltungsversuche in unserer Gesellschaft entgegentreten. Nicht die Flüchtlinge und Ausländer sind schuld! Dabei auch z.B. deutlich machen, dass unser Gesundheitssystem (Krankenhäuser, Heime) nur noch wegen der vielen Beschäftigten mit Migrationshintergrund funktioniert.
Es ist 5 vor 12!
Es gibt viel zu tun – packen wir es an. Vor uns steht ein großer Kampf und den wollen wir gewinnen. Wir sind es den Verfolgten und Ermordeten des Faschismus schuldig.
Der Buchenwaldschwur ist unser Vermächtnis:
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Nehmt alle Kraft und alle Kräfte zusammen und sorgt dafür, dass die Rechten keinen Boden mehr gewinnen!
Beschluss der VVN-BdA NRW, Landesdelegiertenkonferenz 29.02.2020, Oberhausen.