Rechenschaftsbericht „Verbrechen der Wirtschaft“

22. März 2020

, ,

Ulli Sander (Foto Jochen Vogler).

vorgetragen von Ulli Sander

Liebe Freundinnen und Freude, liebe Kameradinnen und Kameraden!
Unsere Rallye „Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945“ hat nun schon viele Stationen erreicht, und fast alle Kreisorganisationen unserer NRW-VVN haben daran teilgenommen. Die Ergebnisse wurden in Büchern, Broschüren, Flyern und auf unseren Websites festgehalten. Manchmal gelang es auch, in den Städten, in denen wir mit Enthüllungen auftraten, Objekte des Gedenkens zu schaffen: Tafeln, Straßenumbenennungen, Anträge an die Stadtparlamente, kleine Schriften kamen heraus.
Ganz großer Höhepunkt war die Herausgabe von Günter Gleisings Buch „Verbrechen der Wirtschaft – Der Anteil der Wirtschaft an der Errichtung der Nazidiktatur, der Aufrüstungs-und Kriegspolitik im Ruhrgebiet 1925-1945“, 2017 Verlag Ruhrecho.


Viele Lesungen schlossen sich an. Medien beachteten das Werk.
Vorangegangen war 2012 die Herausgabe unseres Buches „Von Arisierung bis Zwangsarbeit – Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945“. Ferner 2015 „Der Iwan kam bis Lüdenscheid“. Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit.
Und es steht bevor die neue erweiterte Ausgabe von „Mörderisches Finale“ – Endphasenverbrechen der Nazis +vor Kriegsende. Das Buch wird auch die reaktionäre Rolle der Großwirtschaft beim Übergang des faschistischen Regimes in die Nachkriegszeit – neben anderem – beleuchten. Damals wurde klar, dass die ökonomischen Eliten aus der Zeit der Naziverbrechen mit großem Einfluss und größtem Profit herauskamen. Sie haben für ihre Verbrechen kaum gebüßt und schon gar nicht bezahlt. Geringfügig zahlten sie für die Entschädigung eines kleinen Teils der Zwangsarbeiter – und manche gar nicht. Ich nennen hier vor allem die Quandts. Lücken unserer Erinnerungsarbeit sind der ganze Ruhrbergbau und Hochtief AG Essen, doch dazu soll noch in diesem Jahr etwas geschehen. Nicht hinehmen können wir auch die städtischen Ehrungen für IG Farben-Verbrecher in Espelkamp und Wuppertal.
Was bezwecken wir mit unserer Kampagne? Zum einen die Absicht, die Verbrechen niemals zu vergessen und zu mahnen. Es gibt die Kampagne der Stolpersteine für die Opfer, wir ergänzen sie um die Kampagne für die Sichtbarmachung der Verbrechen der Täter. Im Schwur von Buchenwald heißt es, wir wollen dafür sorgen, dass die Mörder vor den Richtern der Völker zu Verantwortung gezogen werden. Aber das geht doch nicht mehr, nachdem Täter wie Opfer gestorben sind, wird man sagen. Es geht um die Täter und ihr System, und das ist nicht vorbei. Es geht um das Nie wieder! Nie wieder Krieg, nie wieder Verbrechen infolge der Hochrüstung und der Profite durch die Rüstungskonzerne. Deshalb kam es zu der Kampagne gegen Rheinmetall, in der wir engagiert beteiligt sind. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – und zu den Meistern gehören Rheinmetall, die Panzerbauer-, U-Boot-Werften, aber auch die Klimakillerfirmen und Chemieriesen wie die IG Farben Nachfolger Bayer.
Im Schwur von Buchenwald heißt es auch: Man müsse die Wurzeln des Nazismus beseitigen. Neben anderen Wurzeln gehört ganz bestimmt das kapitalistische Profitsystem dazu. Dass wir gesagt haben, die Wurzeln der Verbrechen beseitigen zu wollen, das wird uns vom VS dahingehend ausgelegt, dass wir die parlamentarische Demokratie beseitigen wollen.
Das ist Unsinn! Wenn wir uns das Grundgesetz jedoch ansehen, so steht dieses nicht für die Verbrechen des Profitsystems und des Krieges. Es steht für Sozialisierung, Gemeinnützigkeit des Eigentums. Verbot des Angriffskrieges und Beibehaltung der antifaschistischen und antimilitaristischen Bestimmungen aus der Zeit der Befreiung vom Faschismus. Wir sagen: Der Faschismus ist ohne Kapitalismus nicht denkbar. Aber wir sagen auch: Kapitalismus muss nicht zum Faschismus führen, jedoch bei uns ist es geschehen, und es kann wieder geschehen. Deshalb müssen wir wachsam sein. Wir müssen wachsam sein, ohne dass wir vor einer neuen Machtergreifung mit Ermächtigungsgesetz stehen. Denn heute erleben wir die schleichende Beseitigung der Demokratie, wie sie nicht nur die AfD anstrebt. Das erfordert unsere Wachsamkeit. Zum Beispiel: Der Friedrich Merz, Vertreter des internationalen Finanzkapitals, drängt an die Spitze der CDU und damit der Bundesrepublik. Er sagt ganz offen, dass er die AfD halbieren will, indem er ihre Themen übernimmt, Er will die Motive der Rechtsterroristen „adeln“, kommentierte gestern der Berliner „Tagesspiegel“.
Wenn als Erkenntnis aus 1933 gezogen wurde, dass der Faschismus an der Macht die Herrschaft der am meisten aggressiven und reaktionären Kräfte des Finanzkapitals ist, dann bedeutet es, dass die Antifaschisten die aggressivsten Kräfte des Kapitals bekämpfen müssen. Gegen diese Kräfte, nicht gegen jedwedes private Unternehmertum richten wir auch heute unser Bestreben, unsere Aufklärung.
Bürgermeisterin Opitz hat hier eben etwas sehr Wichtiges gesagt; Wir erleben den Frontalangriff auf die gesamte Demokratie. Es hat so etwas nie gegeben, dass FDP und CDU in einem Bundesland mit den Faschisten in der AfD paktieren, um an die Regierung zu kommen. Es hat bisher noch keinen solchen Versuch gegeben, die gesamte „Mitte“ auf einen sehr rechten Kurs zu bringen, wie wir es jetzt an der Entwicklung in der CDU erkennen.
Der Aufklärung über die rechten Ideologen, Hetzer und Rassisten, der „aggressivsten“ Kräfte des Kapitals, – dieser Arbeit möchte ich mich weiter widmen. Dies auch dann, wenn ich demnächst nach 27 Jahren keinem leitenden Gremium wie Bundessprecherkreis und Landesgeschäftsführung der VVN-BdA mehr angehören werde. Ich verabschiede mich aus diesen Gremien, aber nicht aus der antifaschistischen Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, der Mitarbeit an der „antifa“ und aus der Erinnerungsarbeit. Dazu gehören die Kinder des Widerstandes, dazu gehören unsere Geschichtskommission und die Vertretung der Emslandlager-AG. Auf diesen Gebieten wird mein Schwerpunkt liegen und ich freue mich auf eine weitere Arbeit in diesem Sinne mit Euch.

Schriftlich eingereicht

Literatur zum Thema Verbrechen der Wirtschaft
• Mörderisches Finale. NS-Verbrechen bei Kriegsende (hrsg. vom Internationalen Rombergparkkomitee). Papyrossa Verlag, Köln 2008, ISBN 978-3-89438-388-6.
• Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945. Papyrossa Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-89438-489-0.
• Der Iwan kam bis Lüdenscheid. Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit. Papyrossa Verlag, Köln 2015, ISBN 978-3-89438-582-8.
• Günter Gleising: „Verbrechen der Wirtschaft – Der Anteil der Wirtschaft an der Errichtung der Nazidiktatur, der Aufrüstungs-und Kriegspolitik im Ruhrgebiet 1925-1945“, 2017 Verlag Ruhrecho, ISBN: 978-3-931999-22-3
• Ausführlich:
• www.verbrechen-der-wirtschaft.de/ alt ok
• https://nrw.vvn-bda.de/category/verbrechen-der-wirtschaft/  neu
Bitte besonders beachten:

Die braune Vergangenheit des Emil Kirdorf: Verwirrung um verschwundene Tafel


aus den Ruhrnachrichten

Hitler war kein Betriebsunfall


Von Dr. Ulrich Schneider
https://nrw.vvn-bda.de/2019/07/19/zwei-hoechst-interessante-firmen/ Von Ulrich Straeter

Broschüren:
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/achenbach_vvn_essen.pdf Broschüre der VVN-BdA Essen
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/krupp.pdf Broschüre der Essener VVN-BdA
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/ruestungsindustrie_in_duesseldorf.pdf Eine Power Point von Falk Mikosch
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/verbrechen_der_wirtschaft_flyer.pdf Flyer zum Thema

Die Ausstellung gibt es auch:
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/bankenausstellung.pdf ;
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/1106_kriminalgeschichte_banken.htm

Die „aggressivsten Kräfte“ – wer sind sie heute? Lehren für die aktuelle Erinnerungsarbeit
Zur Bedeutung der Kapitalismuskritik in der antifaschistischen Geschichtsarbeit schrieb Ulrich Sander
Antifaschistische Erinnerungsarbeit erfordert die Beachtung der Wirtschaftsgeschichte. Das bedeutet: Konkrete aktuelle Aufklärung und Eingreifen, und zwar in breiten Bündnissen. Die politischen Verbündeten des Bank- und Rüstungskapitals, das waren 1932/33 die reaktionärsten Konservativen um Franz von Papen und die Nazis. Sie waren in jener Zeit äußerst aktiv, um eine scharfe Wende nach rechts herbeizuführen. Einer der Schauplätze dieser Leute, man kann auch Tatorte sagen, war die heutige Hainallee in Dortmund, wo damals die Villa Springorum stand. Hier tagte am 7. Januar 1933 die Ruhrlade. Im Folgenden soll ein Projekt der Aufklärung über die Verbrechen der Wirtschaft 1933 bis 1945 geschildert werden; dies unter Berücksichtigung der Lehren für heute. Es soll dies am Beispiel der Bemühungen um eine wirtschaftskritische Geschichtsarbeit in Nordrhein-Westfalen, speziell in Dortmund erfolgen. […]
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/1802_antifaschistische_geschichtsarbeit.htm

aus: Rundbrief 2/2017 hg. von der Bundesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus der Partei DIE LINKE
Die „aggressivsten Kräfte“ – wer sind sie heute?
Zur Bedeutung der Kapitalismuskritik in der antifaschistischen Geschichtsarbeit  Von Ulrich Sander
Für die Rettung der Finanzindustrie wurden und werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, nicht aber für ihr Mitwirken an der Schadensbegrenzung. Das erinnert an die Krisenregelungen zu Zeiten der Finanzkrise ab 1929 und den Panzerkreuzerbau von 1931. Sie verschärften die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche. Sie führten dazu, dass die reaktionärsten Kräfte des Kapitals immer mehr den Ausweg im Faschismus und im Krieg suchten. Auch heute werden wir Zeuge davon, wie national und international die Demokratie abnimmt, wie die Banken entlastet und die Massen belastet werden. Antifaschistische Erinnerungsarbeit darf weder die Geschichte der sog. „Krisenbewältigungspolitik“ um 1933 aus dem Blick verlieren, noch die verfehlte Krisenbewältigungspolitik von heute. Von Fragen der „politischen Ökonomie“ der Erinnerungsarbeit handelt der folgende Beitrag aus dem Projekt „Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ an Rhein und Ruhr.
Die Zerstörung der Weimarer Demokratie und die Installierung des Naziregimes sowie die Rolle, die Großindustrielle dabei spielten, waren Gegenstand der Nürnberger Prozesse. …
Weiter:
https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/1802_antifaschistische_geschichtsarbeit.htm
(Zum Verbot der Kapitalismuskritik durch VS und zur Beseitigung der antikapitalistischen-antifaschistischen Aussagen aus der Politischen Bildung, den Gedenkstätten und der Jugendförderung Schlag gegen die Meinungsfreiheit.)