Für den 26.01.1932, vor 90 Jahre also, hatte der Industrieclub, im eigenen Selbstverständnis der Treffpunkt der Eliten, zu einem Vortrag von Adolf Hitler mit anschließendem Souper eingeladen. Hitler war für die der Industriellen an Rhein und Ruhr schon deshalb hoch interessant, weil aus der NSDAP eine Massenpartei geworden und sie aus den Reichstagswahlen von September 1930 als stärkste Partei hervorgegangen war.
Das Interesse der Industriellen war groß, so groß, dass auf den Ballsaal des Parkhotels, des heutigen Steigenberger Parkhotels, ausgewichen werden musste. Nach Angaben des Industrieclubs waren Vertreter fast aller großen Unternehmen anwesend.
Aber auch auf der Straße gab es ein Gedränge, Arbeiterinnen und Arbeiter, Gewerkschafter, Mitglieder der KPD und der SPD protestierten gegen das Treffen der Industrieelite mit dem Führer der Nazipartei. Die Demonstranten waren so zahlreich erschienen, dass Hitler, begleitet von Göring und SA-Chef Röhm, nur durch einen Nebeneingang ins Gebäude gelangen konnte. Zu den Demonstranten zählten die die immer noch bekannten Düsseldorfer Antifaschisten Maria Wachter und Fritz Hollstein. „Die Polizei, teils zu Pferd, wurde gegen uns eingesetzt“, so Fritz Hollstein, „weil wir warnend riefen: ‚Hitler – das ist Krieg!‘ Wir wurden verprügelt, manche wurden in den Keller des benachbarten Opernhauses eingesperrt.“
Und was spielte sich drinnen ab?
Der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr eröffnete den Abend. 20 Jahre später zum Bundesinnenminister arriviert, setzte derselbe Lehr die Verbotsverfahren gegen die FDJ und gegen die KPD in Gang. Bis heute – Ehre wem Ehre gebührt – trägt ein Teil des Düsseldorfer Rheinufers seinen Namen.
Fritz Thyssen, der sich später als Hitlerförderer bekannte, führte Hitler in den Club ein. Hitler ging es darum, sich als Führer einer Partei zu präsentieren, die die Regierungsgeschäfte im Sinne der Industriellen übernehmen kann.
Von dem Schreckwort (nationaler) Sozialismus war an diesem Abend deshalb nicht die Rede, auch nicht von Antisemitismus, dagegen viel von Zerschlagung der Arbeiterbewegung und Ausrottung des Marxismus. Ein diktatorischer Staat, so Hitler, wäre für die Privatwirtschaft weitaus förderlicher als demokratische Verhältnisse. Ein diszipliniertes, an Befehle gewöhntes Volk wäre die beste Voraussetzung für die Eröffnung „neuer Möglichkeiten“ in der Welt. Die Zuhörer verstanden sehr wohl, dass es um Aufrüstung und einen erneuten Krieg als Revanche für den verlorenen Weltkrieg ging, und waren damit einverstanden. Protest gab es nicht. Über die Stärke des Applaus gibt es unterschiedliche Angaben.
Selbstverständlich waren mit dem Treffen im Industrieclub noch nicht alle Bedenken der deutschen Wirtschaftselite gegenüber der NSDAP beseitigt. Manche waren sich noch nicht sicher, ob die Parole eines nationalen Sozialismus nicht doch mehr als bloße Rattenfängerei war, dazu bestimmt, die Arbeiter aus der KPD und SPD in die NSDAP zu ziehen. Ein wichtiger Schritt der Annäherung war mit dem Treffen jedoch vollzogen.
Aufgrund des finanziellen Potentials, das die Zuhörer repräsentierten, erwarteten die Nazis zurecht weitere großzügige Spenden für den aufwendigen Parteiapparat, für ihre beiden Bürgerkriegsarmeen SA und SS, und für die Propaganda im Wahljahr Jahr 1932.
Schon tags darauf folgten auf dem Landsitz von Fritz Thyssen Geheimverhandlungen von Thyssen, Vögler und Ernst Poensgen mit Hitler, Göring und Röhm. Und das war nur eins von mindestens 20 weiteren Treffen zwischen Hitler und den Industrievertretern vor dem 30. Januar 1933.
Ohne die aktive Unterstützung der Großindustrie, der Großbanken, ihrer einflussreichen Verbände und der Großgrundbesitzer wäre es nie zur Machtübergabe an Adolf Hitler gekommen. Das wurde nach 1945 selbst im bürgerlichen Lager nicht mehr bestritten. Noch 1946 formulierte deshalb die CDU in ihrem Ahlener Programm:
„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. … Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.“
Der Kölner Bankier Kurt von Schröder, der eine besonders aktive Rolle bei der Vorbereitung der Machtübergabe an Hitler gespielt hatte, sagte vor dem Nürnberger Gericht aus:
„Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an der Macht zu sehen… Als die NSDAP am 6. November 1932 ihren ersten Rückschlag erlitt und somit ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend.“
Und der US-amerikanische Militärjurist Telford Taylor, der Hauptankläger in den Nürnberger Nachfolgeprozessen gegen die IG Farben, stellte unmissverständlich fest:
„Ohne eine Zusammenarbeit der deutschen Industrie und der Nazi Partei hätten Hitler und seine Parteigenossen niemals die Macht in Deutschland ergreifen und festigen können, und das Dritte Reich hätte nie gewagt, die Welt in einen Krieg zu stürzen.“
Heute dagegen wird alles getan, um den engen Zusammenhang zwischen Kapitalismus, Faschismus und Krieg vergessen zu machen.
Dagegen müssen wir uns wehren. Mehr denn je braucht es eine starke Friedens- und antifaschistische Bewegung.
Gisela Blomberg
Die VVN-BdA lädt ein: Kommt alle zu unserer Kundgebung am 29. Januar 2022, 14:00 Uhr vor dem Industrieclub in der Elberfelderstraße in Düsseldorf!
Die vollständige Rede von Gisela Blomberg haben wir auf unserer Seite „Verbrechen der Wirtschaft“ hier dokumentiert.