15. September 2019

Ulrich Sander am 21.2.1960 im Alter von 18 Jahren – Gedenken an die Geschwister Scholl
Quelle: Archiv Sander
Im Anfang war nicht das Wort, im Anfang war die Tat. Das teilte uns Goethe per Faust mit. Am Anfang war nicht das Kommunistische Manifest von Marx und Engels, nicht das Wort, sondern vier Jahre vor 1848 die Tat, der Aufstand der schlesischen Weber, der im Juni 175 Jahre zurücklag, ein vergessener Jahrestag. Völlig zu Unrecht vergessen. Es war der Aufstand auch der Kinder und Jugendlichen. Brutalste Ausbeutung, Hunger, Elend, Kinderarbeit, Perspektivlosigkeit – das trieb Massen an, gegen die Unternehmer aufzustehen, den Polizeikugeln zu trotzen. Rückblende: 22 Jahre alt war der Dichter der Befreiungskriege Theodor Körner, der „Lützows wilde verwegene Jagd“ besang, und als Partisan der Freiheitskriege fiel. Wie in den Freiheitskriegen bis 1813, beim Wartburgtreffen 1817 und beim Hambacher Fest 1832 war dann 1844 im Weberaufstand die Jugend führend. Bis dahin vor allem die bürgerliche, auch adelige Jugend, nun betraten das Proletariat und seine Jugend den Kampfplatz.
Die Jugend schreibt Geschichte. Was aber ist die Geschichte der Jugend? Die Widerständigkeit der Jugend überrascht heute. Mit Fridays for Future hatte niemand gerechnet. Es hat jedoch solche Bewegungen seit 200 Jahren gegeben. Die Zeit der Industrialisierung war die Zeit des aufstrebenden und dann herrschenden Kapitalismus, zugleich der Weltkriege, der brutalsten Ausbeutung von Natur und Mensch, der Erderwärmung, – doch dieses Thema wurde erst spät aktuell. Es weist aber darauf hin, dass alle Auseinandersetzungen dieser Zeitspanne auch immer Klassenkämpfe waren – und sind.
Das „Weberlied“, die Hymne des Weberaufstandes, fasste Heinrich Heine zusammen: „Im düstern Aug keine Träne, / Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne. / Deutschland, wir weben dein Leichentuch, / Wir weben hinein den dreifach Fluch – wir weben, wir weben!“ Wie kam es dazu?
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